Wenn man für gewöhnlich China hört, denkt vermutlich jeder erst einmal automatisch an die Große Mauer, die Verbotene Stadt, die legendäre Terrakotta-Armee oder an Millionen-Metropolen wie Peking, Shanghai und Hongkong.
Genauso ging es natürlich auch mir, und ich brannte schon lange darauf, all dies einmal persönlich sehen zu dürfen.
Flo seine Begeisterung hielt sich dagegen etwas in Grenzen, denn auch er hegte einige der gängigen Vorurteile. Noch zudem galt China aufgrund seiner sprachlichen und bürokratischen Hürden als weniger leicht zu bereisen. Doch nach unserer letzten Asienreise im Vorjahr – durch Vietnam, Loas und Kambodscha – hatte Flo erst einmal genug von all dem Dreck und Elend und wollte so schnell kein weiteres “Entwicklungsland” mehr bereisen. Damit rannte er bei mir selbstverständlich offene Türen ein, unseren China-Trip nun doch schon früher als geplant anzutreten.
Vorbereitung
Das bedeutete im Vorfeld natürlich jede Menge an Vorbereitung, mehr noch als für jedes andere bisher von uns bereiste Land. Neben den persönlichen Studien diverser einschlägiger Lektüre und weiterführenden Recherchen im Internet, blieb auch sonst nicht viel dem Zufall überlassen. Jedes noch so kleinste Detail musste sorgfältig durchdacht werden, damit man letzten Ende der straffen Planung Herr werden konnte.
Es fing schon einmal mit dem Visum an, welches man weder einfach mal so übers Internet, noch direkt über die Botschaft in Berlin beantragen kann. Für diese Sache wurde das Chinese Visa Application Service Center errichtet, welche sich eigens um die Bearbeitung der Visa-Angelegenheiten kümmert. Nun könnte man sich in München beim Center einen Termin zur Beantragung zuteilen lassen, an dem man persönlich erscheinen muss, um die Unterlagen abzugeben. Sobald dann das Visum ausgestellt ist, wird ein weiterer Termin vereinbart. Ein erheblicher Aufwand.
Es gibt aber zum Glück noch eine letzte Möglichkeit, die man in Anspruch nehmen kann. Das sind diverse Agenturen wie z.B. die Visabox, die sich darauf spezialisiert haben, die Visum-Beschaffung für ihre Kunden zu übernehmen. So muss man zumindest nicht in der Weltgeschichte umherfahren, sich mit der Botschaft rumärgern und zuschauen, dass die Formulare ins Chinesische übersetzt werden. Dafür hat dieser Service aber auch seinen Preis.
Auch wenn wir uns für die letzte Variante entschieden hatten, sollte das keineswegs heißen, dass wir nun fein raus waren. Denn um das Visum überhaupt beantragen zu können, benötigt man neben den exakten Daten und Buchungsunterlagen für den Hin- und Rückflug, auch einen lückenlosen Nachweis, wo man sich zu jeder Zeit im Lande gerade befindet; sprich die genauen Adressen zu sämtlichen Hotels während unseres Auslandaufenthalts. Da wir aber nahezu jeden Tag in einer anderen Stadt sein und hin und wieder auch die Nachtzüge nutzen wollten, musste ich allerdings etwas improvisieren. Ich sage euch, das war die reinste Beschäftigungstherapie für mich.
Dagegen war es ja fast schon ein Kinderspiel, die neuen Passbilder nach chinesischer Vorgabe machen zu lassen und bei der örtlichen Gemeinde den Nachweis zum Verbleib des alten Passes zu beantragen.
Auch der 12-seitige englischsprachige Visumantrag hatte es noch einmal in sich. Die Betonung liegt hier eindeutig auf den 12 Seiten! Jedenfalls bin ich im Nachhinein wieder genau im Bilde über all meine Vorerkrankungen, meinen schulischen und beruflichen Werdegang, das Reiseverhalten meiner Eltern und meiner Einstellung gegenüber China & Gott. Allerdings kann es unter solch erschwerten Umständen auch schon mal zum Ehekrach kommen, wo ich dann viel Zeit habe, um in der Nacht den Antrag alleine auszufüllen. Doch wie ihr in meiner WhatsApp-Gruppe schon sehen konntet, letzten Endes war ich in China und musste auch nicht alleine reisen. 😉
Ein anderes spannendes Thema war die Buchung der Nachtzüge. Es empfiehlt sich auch hier, vorausschauend zu planen und die Tickets schon im Vorfeld zu organisieren. Die begehrten Züge sind schnell ausgebucht, und kurzfristig bekommt man meist keine Plätze mehr, womit dann die ganze weitere Planung – bezüglich Hotels, Züge etc. – hinfällig wäre.
Deshalb habe ich bereits 4 Wochen vor Reiseantritt über TravelChinaGuide sechsmal jeweils 2 Schlafplätze reserviert und aufgeregt gewartet, ob die bereits gezahlten Tickets nun nach und nach bestätigt werden. Bei einigen war das leider nicht der Fall, da die chinesische Regierung ihre Hand darauf hat und erst kurzfristig entscheidet, welche Plätze vom Otto Normalbürger gebucht werden können. Zum Glück aber waren die Mitarbeiter von TCG so fit, uns umgehend vergleichbare Alternativen anzubieten, wo wir nicht allzu viele Abstriche machen mussten und unseren ursprünglichen Plänen so gut es ging treu bleiben konnten.
Jetzt möchte ich euch aber nicht weiter mit Details langweilen, ihr werdet sicher schon gespannt sein, was wir nun alles in China erlebt haben.
Air China
Am 02.09.2019 war es nun also soweit, und wir konnten am Münchner Flughafen in den Flieger der Air China steigen. Wenn auch die Meinungen im Internet auseinandergehen und oftmals der Service sowie das Platzangebot bei dieser Fluglinie bemängelt wurden, können wir uns der Kritik keineswegs anschließen. Wir haben sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückflug durchweg gute Erfahrungen gemacht. Die Stewards und Stewardessen waren sehr freundlich und zuvorkommend, an der Verpflegung gab es nichts auszusetzen, und selbst Flo hat seine Beine ganz gut verstaut bekommen.
Selbst der Geräuschpegel hielt sich erstaunlicherweise in Grenzen und das, obwohl wir inmitten einer Gruppe junger Athleten saßen, die zwar die ganze Zeit vor sich hin schnabuliert haben – wie unter Sportler nun mal so üblich – aber sonst doch sehr friedlich waren. Das Einzige, was uns ein wenig befremdlich erschien, war die Größe und Statur dieser Jungs und Mädels, die sogar Flo allesamt fast um einen Kopf überragt haben. Wie sich später herausgestellt hat, handelte es sich hier um die Rudernationalmannschaft von China. Der handelsübliche Chinese ist tatsächlich etwas kleiner und schmächtiger.
Die Hauptstadt in Zahlen
Nun nur noch ein paar einführenden Worte zu Beijing, dann geht es auch endlich los, mit meinem Reisebericht.
Chinas Hauptstadt gehört mit ca. 19 Millionen Einwohnern zu den weltweit größten Metropolen. Schon zu Zeiten der Zhou wurde die Stadt urkundlich erwähnte und von späteren Dynastien immer wieder besetzt. Doch erst dem Mongolen Dschingis Khan gelang es, Beijing im 13. Jh. zu erobern. Sein Enkel Kublai Khan (Yuan-Dynastie) errichtete hier schließlich die erste Hauptstadt und nannte sie Dadu (Große Hauptstadt).
Erst Ming-Kaiser Yongle verlieh dieser Stadt jenes Bild, was wir heute kennen und gab ihr den Namen Beijing. Unter ihm entstand Anfang des 15. Jh. die Verbotene Stadt und auch die Halle des Erntegebets im Himmelstempelpark.
Die Qing-Kaiser trieben den Ausbau weiter voran, und errichteten u.a. auch der legändere Sommerpalast.
Leider wurde in den folgenden Jahren viel durch Kriege oder auch im Zuge der Kulturrevolution zerstört; viel hat man wieder aufgebaut. Doch die Stadt schläft nicht, und so hat sich ihr Bild in Richtung Zukunft orientiert; neben den historischen Gebäuden ragen inzwischen auch viele Wolkenkratzer empor. Trotz allem hat Beijing seinen einstigen Charme nicht verloren, und wirkt hingegen zu anderen Millionenstädten weniger hektisch.
03.09.2019 – Beijing – Die Verbotene Stadt & mehr
Ankunft in Beijing
Ein Traum wird endlich wahr – mein Traum. Jetzt standen wir tatsächlich auf chinesischem Boden. Doch bevor ich mir dessen so richtig bewusst werden konnte, holte uns auch gleich schon wieder der Stress ein. Denn um den Zoll zu passieren, mussten wir uns zuerst noch irgendwo die gelben Arrival Cards besorgen und ausfüllen und anschließend selbständig die Fingerabdrücke am Automaten scannen.
Die nächste Hürde war, unser Reisegepäck aufzupicken. Aber auch das kam nicht wie normalerweise üblich in dem Gebäude an, wo wir gelandet sind, sondern in einem ganz anderen Terminal. So rannten wir unverzüglich ein paar Geschäftsmännern hinterher, die sich auszukennen schienen, um uns kurz darauf eine Etage tiefer – in einem Raum mit hinter Glas verlaufenden Gleisen – zu wähnen. Nun waren wir erst recht irritiert. Hier konnten wir unmöglich richtig sein. Doch wie sich schnell herausstellte, musste man zwangsläufig in die Bahn steigen, wenn man zum Gepäckband kommen wollte. Na da soll mal einer darauf kommen und auch, wann der richtige Zeitpunkt zum Aussteigen ist, damit man nicht versehentlich in der Abflughalle landet. Da kann es mitunter äußerst hilfreich sein, sich schon von Anfang an mit dem asiatisch Typus vertraut zu machen und sich die Gesichter der Personen einzuprägen, die im selben Flieger saßen.
Ein bisschen nervös ist man allerdings immer, wenn man an der Gepäckausgabe steht und auf seine Habseligkeiten wartet, während all die anderen Koffer an einem vorbeiziehen. Da fällt einem jedes Mal wieder von Neuem ein Stein vom Herzen, wenn endlich der blaue und der lilafarbene Anhänger aus der Masse aufblitzt.
Eigentlich wollten wir uns zumindest diesen Trouble für die Zukunft ersparen und hatten im Vorfeld noch leichtere und universellere Rücksäcke gekauft. Doch ausgerechnet bei Air China darf man nur ein einziges Gepäckstück a 5 kg mit als Handgepäck führen, wo wir schon aufgrund der fetten Reiseführer an unsere Grenzen gekommen wären. Auch wenn wir generell immer sehr auf das Gewicht schauen und nichts mitnehmen, was nicht unbedingt sein muss, fünf Kilo sind schon extrem wenig. Ich bin mir sicher, dass die meisten, die das hier lesen, sich mit der 20 kg Marke schon schwer tun werden. 😉
Auch die Problematik des Geldwechselns und das Organisieren der Beijing Transportation Smart Card – eine wiederaufladbare Chipkarte für Metro & Co – hatten wir irgendwann gelöst und saßen schließlich im Capital Airport Express, der uns in ca. 50 Minuten zum Knotenpunkt Dongzhimen und nach einer weiteren U-Bahnfahrt zum Qian Men Platz in Beijings Innenstadt befördert hat.
Gegen 7 Uhr in der Früh hatten wir nun endlich festen Boden unter den Füssen und konnten wieder selbst über uns bestimmen. Schon die ersten Eindrücke auf dem Weg zu unserem Hotel haben uns verzückt.
Metrofahren in der Hauptstadt
Wenn man einmal hinter das System gestiegen ist, tut man sich gar nicht mehr so schwer, in China U-Bahn zu fahren. Man braucht nur zu schauen, welche Linie zum Wunschziel führt und dann den dazugehörigen farblichen Pfeilen auf dem Boden zu folgen. Da sich in Beijing die meisten Attraktionen in der Nähe der Ringlinie befinden, macht das nicht einmal was, falls man in die falsche Richtung einsteigt, man fährt so eben nur etwas länger im Kreis. Doch damit selbst das gar nicht erst passiert, empfiehlt es sich, einfach die App MetroMan aufs Handy zu laden, dann weiß man immer ganz genau, wann welche Linie wohin fährt, wo man umsteigen muss und wie hoch der Preis ist. Wobei das “Wann” nicht wirklich relevant ist, da die meisten Bahnen eh ständig verkehren; zur Rushhour teilweise im 2-min-Takt.
Sollte man sich zudem mehrere Tage in Beijing aufhalten, ist außerdem die Beijing Transportation Smart Card sehr nützlich. So muss man nicht ständig am Ticket-Automaten Schlange stehen und kann direkt per Scan die Lichtschranke zum Gleisbereich passieren. Zu kaufen gibt es die Chipkarten an den Service-Schaltern einiger Metrostationen, und dort kann diese auch wieder aufladen werden.
Bevor man allerdings überhaupt erst einmal soweit vorgedrungen ist, wird beim Betreten des Metro-Gebäudes man selbst samt Gepäck durchleuchtet. Man muss aber wissen, dass das hierzulande völlig normal ist. Selbst in den Hauptbahnhöfen oder an bestimmten Sehenswürdigkeiten findet ein Prozedere wie am Flughafen statt. Doch man gewöhnt sich recht schnell daran. Ich pflege ja immer zu sagen: “Wer das Eine will, muss das Andere mögen!”
Ist man schließlich an den Gleisanlagen angekommen, steht man erst einmal vor einer Glaswand, welche die Fahrgäste von den Schienen zurückhält und sich nur dann öffnet, wenn die Metro – mit den Türen exakt davor – zum Stehen gekommen ist. Man selbst hat sich unterdessen rechts und links entlang der auf den Boden aufgemalten Pfeile zu positionieren und zu warten, bis die Passanten ausgestiegen sind. Dann beginnt zu Stoßzeiten der Run, und es wird gestopft und gequetscht, bis das Metropersonal mit Trillerpfeife und halbmondförmigen Stangen dem Treiben ein Ende bereitet und der Zug abfahren kann. Das alles geschieht in einem Bruchteil von Sekunden.
In unserem Fall war zum Glück gerade keine Rushhour, und so konnten wir uns wenigstens für den Anfang noch etwas akklimatisieren. Doch der Schweiß steht einem schnell wieder auf der Stirn, wenn man nach dem richtigen Ausgang sucht. Aber ich kann schon so viel verraten, gegen Shanghai war das hier alles harmlos.
Noch eine letzte Besonderheit, die uns bisher in noch keinem anderen Land aufgefallen ist, war die sonderbare Art und Weise der Werbung. Während einem Großteil der Bahnfahrt wurden wir von schrill leuchtenden Reklametafeln verfolgt. Wir haben uns die ganze Zeit gefragt, wie das wohl funktioniert und wie viele LED-Bildschirme man dazu in den Tunneln aufhängen und diese dann auch entsprechend steuern muss, damit das Bild nur halbwegs synchron zur Fahrgeschwindigkeit der U-Bahn miläuft. Ein wahres Wunderwerk der Technik.
Qian Men Street
Ich hatte uns eine schnuckelige Unterkunft in der Nähe der hübsch restaurierten Qian Men Street gesucht, die von einer Anzahl bunt verzierter Häuser mit roten Laternen gesäumt war. Auf dem Weg zu unserem Quartier konnten wir schon einen Blick auf die 2 Bauten des Qian Men (Vorderes Tor) erhaschen, welches sich aus 2 Bauten – Jiao Lou und Zhengyang Men – zusammensetzt. Neben dem Desheng Men ist dies das einzig noch erhaltene Tor der ehemaligen inneren Ringmauer.
Kublai Khan ließ einst die 30 km lange Stadtmauer um die Verbotene Stadt ziehen, die während der Ming- & Qing-Dynastie die Kaiserstadt von den Vierteln der Bevölkerung trennte.
Jetzt waren wir aber erst einmal froh, im >>Qianmen Courtyard Hotel<< angekommen zu sein und unser Gepäck abladen zu können. Dieses 200 Jahre alte Siheyuan war ganz im Stile der historischen Hofhäuser gehalten und mit all dem chinesischen Dekor genauso bezaubernd, wie wir es uns vorgestellt hatten. Wir fühlten uns gleich richtig willkommen.
Das zuvorkommende Hotelpersonal stellte uns auch prompt unser Zimmer zur Verfügung; was eher selten der Fall ist um diese Uhrzeit. Als wir dann auch noch unser Sammelsurium an Zugtickets in Empfang nehmen konnten – welche wir uns von TravelChinaCuide ins Hotel schicken lassen haben -, waren wir mehr als erleichtert; eine der Unbekannten, die mir bis dahin noch etwas Kopfzerbrechen bereitet hatte.
Und natürlich können wir auch von Glück reden, dass uns die freundlichen Mitarbeiter darauf hinwiesen haben, dass man die Verbotenen Stadt nur besuchen kann, wenn man schon im Vorfeld die Tickets übers Internet reserviert hat. Das haben sie dann direkt auch gleich noch für uns erledigt; und dann waren wir soweit, uns ins Getümmel zu stürzen.
Wieder auf der Qian Men Street, mussten wir nun erst mal in einem kleinen Lokal einkehren und uns 2 Portionen der legendären Baozi einverleiben. Schon auf dem Hinweg zum Hotel haben wir gesehen, wie die gefüllten Hefeklöße in ihren Bambuskörbchen gedämpft und nun an jeder Ecke zum Frühstück angeboten wurden. Durch die Zeitumstellung und den wenigen Schlaf kannte sich unser Körper nun gar nicht mehr so recht aus, und wir fühlten uns irgendwie hungrig. Diese kurze Pause verhalf uns zudem noch einmal zum Innehalten; denn ruhiger sollte es heute nicht mehr werden.
Wie überquert man in Beijing eine Straße?
Nun stellt euch das mal nicht so leicht vor, in einer größeren chinesischen Stadt ohne Weiteres über die Straße zu gehen. Das ist so ziemlich genau das Gegenteil zu anderen ostasiatischen Ländern, wo man einfach so darauf lossteuert. In Beijing hingegen sind komplette Kreuzungen weiträumig eingezäunt und oftmals sogar noch polizeilich überwacht, so dass man überhaupt gar keine Möglichkeit hat, die Straße oberirdisch zu überqueren; selbst dann nicht, wenn man im hohen Bogen in irgendeine Himmelsrichtung ausholt. So bleibt einem schließlich nur, wieder in den Untergrund abzutauchen und über eine Metrostation auf die gegenüberliegende Seite zu wechseln.
Bis wir das endlich kapiert hatten und etliche Male auf- und abgerannt waren, verging ungelogen eine halbe Stunde. Doch auch im Anschluss sollte es dann nicht besser vorangehen.
Eigentlich wollten wir heute nur mal kurz über den Tian’an Men Platz streifen und uns dann gleich voll und ganz der Verbotenen Stadt widmen. Zu dem Zeitpunkt wussten wir allerdings noch nicht, dass in Kürze eine Feier zum 70jährigen Bestehen der Volkrepublik anstehen würde, und sich zudem auch noch Angie aus Deutschland angekündigt hat.
Verzweifelt suchten wir jetzt nach einem Ausgang Richtung Tian’an Men Platz, indem wir uns dabei in Serpentinen durch diverse Absperrvorrichtungen geschlängelt haben. Zu allem Unglück liefen wir nun geradewegs blind in eine Traube voller Menschen, die wegen irgendetwas anzustehen schienen. Doch alles Drängeln half uns nichts, als wir von den uniformierten Beamten schließlich zurückgewiesen wurden. Hier war einfach kein Durchkommen. Und wir wussten ja noch nicht einmal, ob wir überhaupt richtig waren und für was eigentlich die ganzen Leute sich in die Schlange reihten.
So langsam wurden wir etwas unruhig und mussten uns eine neue Strategie zurecht legen. Die Tickets für den Kaiserpalast hatten wir ja schon für heute reserviert, und ich sah es überhaupt nicht ein, diese einfach so verfallen zu lassen; auch wenn Flo in dem Moment am liebsten einen taktischen Rückzug angetreten hätte. Doch Seitenstraßen gibt es in Beijing ja genug, und irgendwo würden wir irgendwann mit Sicherheit durchkommen; auch wenn uns danach die Fußsohlen brennen.
Wie ihr vielleicht schon ahnt, ging der Wahnsinn noch weiter. Vom Osten her kommend haben wir nun versucht, uns der Verbotenen Stadt zu nähern. Doch auch hier stießen wir bald wieder auf eine nicht enden wollende Schlange. Zumindest sollte es laut unserem Navi nun nicht mehr ganz so weit sein, und so haben wir uns letzten Endes dazu entschlossen, uns einzureihen und einfach mit zu drängeln. In der Zwischenzeit war es allerdings schon viel später als geplant, und so brannte nun die Mittagssonne erbarmungslos auf unsere Köpfe nieder. Je weiter wir uns dem Tor des Himmlischen Friedens – dem Eingangstor zum Kaiserpalast – näherten, umso langsamer kamen wir voran. Doch irgendwann hatten wir es tatsächlich geschafft – nachdem auch noch den Sicherheitscheck durchlaufen war – und standen endlich endlich vor dem Eingang.
Von diesem Tor rief Mao Zedong am 01. Oktober 1949 die Volksrepublik China aus, und nun schaute er noch immer von oben auf uns herab.
Kaiserpalast oder Die Verbotene Stadt
Über 500 Jahre regierten während der Ming- und Qing-Dynastie 24 verschiedene Herrscher im heutigen Palastmuseum, bis schließlich 1911 der letzte Kaiser (Pu Yi) vom Thron gestürzt und die Republik ausgerufen wurde.
Der Name “Verbotene Stadt” ist darauf zurückzuführen, dass während dieser Zeit die gesamte Anlage für das einfache Volk gesperrt war und ein eigenmächtiges Betreten zur sofortigen Exekution geführt hätte. Unabhängig davon wäre es aber auch so dem Normalsterblichen kaum möglich gewesen, bis zum Palast vorzudringen, da die Verbotene Stadt zudem noch von den Mauern der Kaiserstadt umgeben war, zu der man ebenfalls keinen Zutritt hatte. Erst ab 1949 wurden Teile des Komplexes auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Die ehemalig angrenzende Kaiserstadt als solches existiert inzwischen nicht mehr, wohl aber die Verbotene Stadt, um die noch heute der – zum zusätzlichen Schutz angelegte – 52 Meter breite Wassergraben existiert. Mit ihrer Vielzahl historischer Bauten ist sie die größte Palastanlage der Welt und erfüllt China zu Recht mit Stolz.
Als wir nun durch das imposante Mittagstor in den Äußeren Hof traten, waren wir erst einmal geblendet. Vor uns lag ein riesiger, heller Platz, durch den sich der Goldwasserfluss mit seinen 5 Marmorbrücken schlängelte, welche die 5 Tugenden des Konfuzianismus symbolisieren; und sich wunderbar zum Posen im historischen Gewand anzubieten scheinen. Wir hatten jedenfalls unsere wahre Freude daran, dem Treiben ein bisschen zuzuschauen.
Während es im Norden nun weiter durch das Tor der Höchsten Harmonie – wo man früher die Gäste empfing und Bankette abhielt – in den nächsten Hof ging, lag hinter uns bereits besagtes Mittagstor, von dem aus der Kaiser seine Armee inspizierte, Urteile über Gefangene aussprach und derer Umsetzung beiwohnte, aber auch das neue Jahr ausrief. Nur der Kaiser höchstpersönlich durfte seinen Hof durch die mittlere Toröffnung betreten; das Militär musste sich mit dem linken und die Zivilisten mit dem rechten Tor begnügen.
Inzwischen befanden wir uns im Herzen der Verbotenen Stadt, und vor uns lagen erhöht auf einer dreistufigen Marmorterrasse die 3 großen Thronhallen. Auch hier mussten wir – wie das einfache Volk – die Aufgänge rechts und links benutzen; selbst wenn mittlerweile kein Kaiser mehr existiert, den man mittels Sänfte die Mittelrampe hinauftragen könnte. Doch es wäre wohl ein Frevel, dieses reich mit Drachen und Wolken verzierte, komplett aus Marmor angefertigte Kulturgut mit Füßen zu treten.
Von den 3 Gebäuden ist die Halle der Höchsten Harmonie das wichtigste und zugleich größte Bauwerk der Palastanlage. Hier steht auch der berühmte Drachenthron, auf dem u.a. Pu Yi und Cixi saßen, und hier wurden auch die neuen Kaiser inthronisiert. Jedoch einen Blick ins Innere der Halle zu erhaschen, war gar nicht so einfach, schließlich waren wir nicht die einzigen, die mit dem Fotoapparat bewaffnet vor der Absperrung standen.
Durch das Tor der Himmlischen Reinheit gelangten wir nun weiter in den Inneren Hof, wo sich quasi alles noch einmal im Kleinformat wiederholt hat; die Hallen machtpolitisch aber bedeutender waren. Der Palast der Himmlischen Reinheit enthielt die einstigen Schlafstätten des Kaisers, während sich die kaiserlichen Brautgemächer im Palast der Irdischen Ruhe befanden und die Halle der Einheit von der Kaiserin als Thronsaal genutzt wurde. Die kleineren Paläste der Konkubinen schlossen sich dagegen im Osten an und beherbergen heute diverse Museen.
Bevor wir nun aber – von all den Eindrücken völlig überflutet – die Verbotene Stadt über das Nordtor verlassen haben, wollten wir uns zumindest noch die Kaiserlichen Gärten anschauen, die Kaiser Yongle zu Zeiten der Ming-Dynastie anlegen ließ. Auf 7000 m² kann man dort zwischen alten Zypressen, hübsch verzierten Pavillons und bizarren Felsen umherwandeln, sich etwas Ruhe gönnen und einen ersten Eindruck von der chinesischen Gartenbaukunst gewinnen.
Und es gab endlich auch mal wieder so etwas wie Schatten.
Jing Shan Park
Als nächstes ging es nun weiter auf den bewaldeten Hügel des Jing Shan Parks, um vom Norden aus auf die Verbotene Stadt hinabschauen und ihr komplettes Ausmaß wenigstens annähernd erfassen zu können. Auch wenn sich der Anstieg in Grenzen hielt, war es zu dieser Tageszeit eine recht schweißtreibende Angelegenheit. Dafür wurden wir dann aber auch reichlich entschädigt, denn heute war Beijing nur wenig im Smog versunken, so dass man noch genügend erkennen konnte.
Das ist leider nicht immer der Fall, denn aufgrund der hohen Umweltverschmutzung ist die Luft der Hauptstadt sehr belastet; mitunter sogar so extrem, dass man nicht einmal mehr erkennen kann, was sich auf der anderen Straßenseite befindet. Doch wir hatten echt richtig Glück und an allen 3 Tagen, die wir uns in der Stadt aufhielten, eine doch recht akzeptable Sicht. Wir vermochten hinter dem Kaiserpalast sogar noch die Gebäude des Tian’an Men Platz auszumachen, während wir im Norden den Trommel- und den Glockenturm und im Westen die Weiße Dagoba auf der Anhöhe des Bei Hai Parks erkennen konnten – unser nächstes Ziel.
Dieser Aussichtshügel (übersetzt: Jing Shan), der einst aus dem Aushub des Kaiserpalasts entstand, gehörte bis zum Ende der Qing-Dynastie zur Verbotenen Stadt und war somit auch nur für den Kaiser und sein Gefolge zugänglich. Der künstlich aufgeschüttete “Berg”, welcher vom Norden her der Palast abschirmt, sollten aus Feng Shui Sicht auch ein Schutzschild vor bösen Geistern und Stürmen bilden. Leider verbindet man mit dem Park auch ein weniger schönes Ereignis; hat der letzte Ming-Kaiser Chongzhen hier doch seinem Leben ein Ende bereitet, indem er sich an einem der Bäume erhängte, als er das Untergang seiner Dynastie kommen sah.
Bei Hai Park
Auch der Bei Hai See (zu Deutsch: Nordsee) mit seinem riesigen Park, war 1000 Jahre lang einzig dem Kaiser vorbehalten. Zu Zeiten der Yuan errichtete Kublai Khan auf diesem Gelände seinen Palast, wovon heute nur noch die riesige Jade-Urne am Südeingang zeugt. Da wir das Ganze allerdings vom Osten her aufrollen wollten, ging es zunächst auf die kleine Jadeinsel inmitten des Sees, auf deren Anhöhe sich die 36 Meter hohe Weiße Dagoba befindet. Diese Stupa, im typisch tibetischen Stil, wurde 1651 eigens für den Besuch des 5. Dalai Lamas errichtet.
Wer auch immer es beabsichtigen sollte, irgendwann einmal Beijing und diese Insel zu besuchen, dem würde ich allerdings empfehlen, vom Südtor aus zu starten. Ausgehend von der Runden Stadt, hat man so nämlich die ganze Zeit einen wundervollen Blick auf die Weiße Dagoba und passiert auf dem Weg dahin auch noch den ein oder anderen kleinen Tempel. Außerdem muss man so nicht unnötig im Kreis rennen, wenn man dann eh vor hat, noch weiter zu den anderen Sehenswürdigkeiten im Norden zu gehen.
Aber da wir zum Glück des Gehens nie überdrüssig werden, konnten wir noch einmal das Panorama auf den See mit all den ausladenden Trauerweiden, den rosafarbenen Lotosblüten und den lustigen Ausflugsbooten genießen, bis wir dann den Tempel Xitian Fanjing am Nordufer erreicht hatten, wo auch die 27 Meter lange Neun-Drachen-Wand steht.
Wie auch schon sein kostbares Gegenstück im Kaiserpalast, besteht diese Mauer aus einer Vielzahl bunter, glasierter Fliesen, auf der sich windende Drachen abgebildet sind.
Chinesische Drachen sind in der Lage, böse Geister abzuwehren und sollen somit zum einen Schutz vor diesen bieten, zum anderen aber auch Glück bringen. Deshalb trifft man nahezu überall und bei jeder Gelegenheit auf diese schlangenartigen Wesen – ob auf Marmorwegen, Mauern, Wänden, Dachsimsen oder zu irgendwelchen Festivitäten.
Allerdings, ein Drache mit 5 Klauen symbolisiert die Macht des Kaisers und schmückt daher ausschließlich kaiserliche Gebäude.
Gu Lou & Zhong Lou – Trommel- & Glockenturm
Die Zeit war nun bereits deutlich vorangeschritten, aber es war noch nicht zu spät, um einen Versuch zu wagen, vielleicht doch noch pünktlich am Glocken- und Trommelturm anzukommen. Und wie es der Zufall wollte, hatte zumindest der Trommelturm noch geöffnet. So stiegen wir rasch die steilen Treppen empor, um ein letztes Mal für heute die Aussicht über Beijing zu genießen.
Während der mongolischen Yuan-Dynastie waren diese Türme der Mittelpunkt der einstigen Hauptstadt Dadu und dienten als offizielle Zeitmesser. Die große und die 24 kleinen Trommeln wurden hierfür zu jeder vollen Stunde geschlagen.
Hutongs
Jetzt hatten wir nun aber wirklich viel in diesen Tag gepackt und wollten auf dem Rückweg zum Hotel nur noch durch die Hutongs in der Umgebung streifen. Dabei gab es natürlich auch einiges Kurioses zu entdecken, über was wir uns zu einem späteren Zeitpunkt unserer Reise allerdings nicht mehr so gewundert hätten.
Von den altertümlichen Hofhäusern (Siheyuan) mussten inzwischen viele moderneren Gebäuden weichen. Aber es gibt dennoch einige Viertel, in denen man durch die engen Gassen (Hutongs) schlendern und sich ins alte Beijing zurückversetzt fühlen kann.
Leider ist es fast unmöglich, einen Blick in deren Inneres zu werfen, da die Häuser dicke Mauern umgeben, um zusätzlichen Schutz vor Eindringlingen und bösen Geistern zu bieten. Doch da wir uns selbst ja in eben solch einem Siheyuan einquartiert hatten, wussten wir nun ganz genau, wie diese aufgebaut sind. Um einen großen Innenhof herum, gruppieren sich die einzelnen Gebäude, welche gleich mehreren Familien ausreichend Wohnraum bieten; in einer Stadt, wo das Platzangebot doch sehr überschaubar ist.
Ganz habe ich scheinbar noch nicht aus den eigenen Fehlern vergangener Tage bzw. Jahre gelernt und wieder einmal so lange mit dem Essen gewartet – zu lange -, dass es nicht mehr so leicht war, mich dahingehend zufrieden zu stellen. Doch in einer kleinen Garküche, ganz in der Nähe von unserer Unterkunft, fand ich dann doch noch was Passendes, wobei Flo’s seine Wahl für seine Verhältnisse eher gewöhnungsbedürftig war.
Zum Abschluss konnten wir nun noch etwas das nächtliche Ambiente der Qian Men Street genießen; dabei haben uns all die für China so typischen, rot beleuchtenden Laternen geradezu in unser kleines Zimmer geführt. Dann ging auch “schon” der erste erlebnisreiche Tag zu Ende; und es lässt sich vermutlich jetzt schon erahnen, dass es kein Zuckerschlecken ist, mit mir zu verreisen.
04.09.2019 – Beijing – Himmelstempel & Sommerpalast
Der neue Tag in Beijing startete genauso großartig, wie der alte zu Ende gegangen war. Wir hatten wieder sehr viel für heute geplant und mussten dementsprechend früh aus den Federn. Schon lange bevor der Himmelstempel die Pforten für uns Besucher öffnen würde, haben wir uns beim Imbiss nebenan nur schnell mit einem Joghurtdrink bewaffnet und gleich auf den Weg zum Tian Tan Park gemacht.
Wenn man vom Westen aus kam, war es auch schon ab 6 Uhr möglich, die weitläufigen Grünanlagen um den Tempel herum zu besuchen und bei der Gelegenheit dem ein oder anderen Chinesen beim Tai Chi, Joggen oder Kalligraphieren der kurzlebigen Wasserzeichen zuzuschauen.
Tian Tan – Himmelstempel
Bevor ich jetzt weiter über unsere persönlichen Eindrücke berichte, möchte ich zuerst etwas zum Himmelstempel erklären und zum besseren Verständnis darlegen, wie dieser aufgebaut ist.
Der in China als Tian Tan bezeichnete Himmelstempel, gehört zwar einerseits zu den größten Tempelanlagen der Welt, ist allerdings gar kein Tempel im eigentlichen Sinne, sondern eher ein Altar. Hier betete zur Wintersonnwende der Kaiser und “Sohn des Himmels” – den man als Vermittler zwischen den Göttern und Menschen ansah – für gutes Wetter und reiche Ernten.
Allein im Aufbau der Anlage spiegelt sich das Gleichgewicht zwischen Himmel (die runden Tempelhallen) und Erde (die quadratischen Sockel) wider. Wie auch schon in der Verbotene Stadt sind die Gebäude streng entlang einer Nord-Süd-Achse angeordnet. So befindet sich ganz im Norden die Halle des Erntegebets, die über die lange Danbi-Brücke mit der Echowand, dem Kaiserlichen Himmelsgewölbe und ganz im Süden mit dem Rundaltar verbunden ist.
Endlich war es Punkt 8 Uhr, und die Besichtigung konnte losgehen. Noch einmal um die Echowand herumgeschlichen, dann kamen wir auch schon zum Himmelsaltar, der sich aus einer 5 Meter hohen und 90 Meter breiten, 3-stufigen Marmorplattform aus konzentrischen Kreisen mit jeweils 9 Steinen zusammensetzt.
Ungerade Zahlen gelten übrigens als himmlisch, und da die “9” die höchste einstellige, ungerade Zahl ist, wiederholt sie sich in den einzelnen Bauelementen immer wieder.
Doch so detailverliebt waren wir in dem Moment gar nicht; wir wollten einfach nur die Ruhe vor dem Sturm auskosten und diesen einzigartigen Ort auf uns einwirken lassen.
Als nächstes kamen wir zu dem achteckigen, farbenprächtigen Kaiserlichen Himmelsgewölbe, wo man einst die benötigten Opfergaben lagerte und die Ahnentafeln des Kaisers aufbewahrte. Und auch an hier stießen wir wieder auf eine der mit Drachen versehenen Marmortreppen.
Nur haben wir es leider versäumt, einmal auszuprobieren, warum die dahinter stehende “Echowand” ihren Namen trägt.
Allmählich nahm der Besucherstrom zu, und so wollten wir nicht länger herumbummeln und schnellstmöglich über die Danbi-Brücke zum imposantesten Gebäude der Anlage hinübergehen.
Die prächtige Qinian Dian – oder auch Halle des Erntegebets genannt – bot sich uns regelrecht als Kalendermotiv an. Mit ihrem blau leuchtenden, 3-stufigen Himmelsdach, den im kaiserlichen Rot gehaltenen Wänden, all den aufwendigen Verzierungen und nicht zuletzt auch den roten Laternen davor, empfanden wir dieses Ensemble als wahren Augenschmaus. Dieser Ort verdient zu Recht das Prädikat “Highlight”. So hab ich mir China vorgestellt.
Auch das Innere der Halle war nicht weniger aufwendig gestaltet. Wenn man seine Blicke gen Decke richtet, sieht man dort eine mit Drachen und Phönix (Symbol für Kaiser und Kaiserin) bemalte Kassettendecke, die von 28 ebenso schön verzierter Säulen getragen wird. Nicht weniger beeindruckend ist, dass dieser Holzbau ohne einen einzigen Nagel errichtet wurde.
Wenn man auf angenehme Weise abgelenkt ist, lässt sich auch lange das Hungergefühl unterdrücken. Doch irgendwann bekommt man dann doch zu spüren, dass es Zeit fürs Frühstück wird. Über den Langen Korridor – im Osten des Parks – verließen wir schließlich die Anlage; auf der Suche nach einer geeigneten Gelegenheit, sich zu stärken, bevor die nächste Attraktion in Angriff genommen werden konnte. So kamen wir tatsächlich in den einsamen Genuss eines guten Kaffees, was in China leider eine Seltenheit ist. Dafür war allerdings der – eilig im Untergeschoß eines Kaufhauses besorgte – Wrap ein glatter Griff ins Klo. Nun, satt waren wir immerhin fürs Erste, aber wiederholen wollten wir diese Grenzerfahrung in Sachen westliches Fastfood sicher nicht noch einmal.
Yihe Yuan – Sommerpalast
Schon lange vor der Ära der letzten Dynastie nutzen die einstigen Herrscher die kaiserlichen Gärten im Norden Beijings, um sich dort zu erholen. Doch erst Qinlong – der 4. Kaiser der Qing – baute diese Parkanlage noch weiter aus, indem er den Kunming See von 100000 Arbeitern ausheben und auf dem – mit dem Aushub aufgeschüttetem – Berg der Langlebigkeit den Neuen Sommerpalast errichten ließ. So war es nun dem Kaiserhof möglich, in den drückenden Sommermonaten aus der Verbotenen Stadt in den Yihe Yuan zu entfliehen.
Während des 2. Opiumkrieges (1856-1860) wurde der Sommerpalast durch britisch-französische Truppen schwer verwüstet. Um den Wiederaufbau zu finanzieren, zweigte Kaiserwitwe Cixi schließlich Geld ab, das eigentlich für den Ausbau der Flotte bestimmt war. Als Zugeständnis daran gab sie das “unsinkbare” Marmorschiff in Auftrag, welches man noch heute am Nordufer des Kunming Sees bewundern kann.
1900 wurde der Sommerpalast ein zweites Mal von britischen Soldaten zerstört, die diesen aus Ärgernis über den Boxeraufstand in Brand gesetzt hatten. Wieder musste man in den Neuaufbau investieren, bis die Anlage 1924 endlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte.
Einen letzten Einschnitt gab es dann zu Zeiten der Kulturrevolution. Doch heute ist von all der Zerstörung nichts mehr zu sehen, und der Yihe Yuan erstrahlt vielleicht schöner denn je zuvor.
Zum Glück hatten wir es so gelegt, dass wir nun wirklich einen halben Tag für die Erkundung des Sommerpalasts zur Verfügung hatten. Denn auch wenn wir sonst immer recht sportlich unterwegs sind, die Zeit braucht man wirklich, um diese riesige Anlage zu erkunden und ihren Charme in sich aufzunehmen. Der ruhige See zu Füssen des Palast-Hügels, Cixis harmonischer Garten, der lange Wandelgang entlang des Ufers und all die schmucken Pavillons – wahrlich ein Ort, an dem man leicht ins Schwärmen gerät, und wo man sogar etwas Ruhe finden kann, selbst wenn man hier alles andere als allein ist.
Nachdem wir uns von der Metrostation zum Osteingang des Sommerpalast vorgearbeitet hatten, mussten wir nun erst einmal versuchen, uns bei all dem Wegewirrwarr zurecht zu finden. Um uns wieder ein wenig zu sammeln, wollten wir in entgegengesetzter Richtung des Besucherstroms gehen. Doch zuvor riskierten wir noch einen Blick in die Halle des Wohlwollens und der Langlebigkeit, in der früher wichtige Zeremonien stattfanden und noch immer der Thron von Cixi zu besichtigen ist.
Beim Kurs in Richtung Cixis Lieblingsangelplatz haben wir uns dann gleich mal verlaufen. Anstatt nun im Garten des Harmonischen Vergnügens zu landen, kamen wir immer höher den Hügel hinaus und standen weniger harmonisch vor einem verfallenen Tempel, den wir eigentlich nicht beabsichtigt hatten, zu besuchen. Dafür wurden wir aber mit einem schönen Ausblick auf den Kunming See und die 17-Bogen-Brücke belohnt.
Wenig später kamen wir dann aber doch noch am besagten Garten an und waren sofort wieder besänftigt.
Wenn man an diesem wunderschönen, idyllischen Ort umherwandelt, dann kann man nur zu gut verstehen, warum das Cixis Lieblingsplatz zum Angeln war. Genauso hab ich mir einen typischen Chinesischen Garten vorgestellt – lotusbedeckte Teiche, hängende Trauerweiden, kleine Steinwälder, winzige Bogenbrücken, endlos verschachtelte Korridore mit filigranen Bemalungen und reich verzierten Pavillons, die zum längeren Verweilen einladen. Und wenn nicht gerade eine Truppe Touristen im Eiltempo durch die Landschaftsidylle hindurchströmt, kann man die Stille so richtig genießen und traut sich selbst gar nicht anders, als zu flüstern und lautlos den Auslöser der Kamera zu drücken, um die Einheimischen beim Füttern der gut genährten Koi zu fotografieren. Wirklich ein ganz toller Flecken Erde.
Im darauf folgenden Garten der Tugend und Harmonie fanden wir es auch mal ganz interessant, ein ehemailges Theater zu sehen. In diesem dreistöckigen Gebäude hatten sage und schreibe 348 Akteure für Cixis Unterhaltung zu sorgen.
Jetzt waren wir aber wirklich neugierig und wollten endlich das Herz der Anlage besichtigen. Schon vom Ufer aus konnte man den Pavillon des Buddhistischen Wohlgeruchs hoch über dem See – auf dem Berg der Langlebigkeit – ausmachen. (Alles gut, ich muss mitunter auch über diese Bezeichnungen schmunzeln!) Um dorthin zu gelangen, kann man direkt am Seeufer durch den 728 m Langen Korridor schreiten, dessen Holzbalken mehr als 14000 Malereien aufweisen.
Nachdem man 2 edle Schmucktore passiert hatte, ging es nun über steile Stufen hinauf zu den einzelnen Gebäuden des Sommerpalasts. Am imposantesten war zweifelsohne der achteckige Turm des Buddhistischen Wohlgeruchs, den man im vollen Ausmaß schon gleich gar nicht aufs Foto bekommen hat.
Linkerhand konnte man auf den bezaubernden Bronze-Pavillon schauen, der komplett aus Metall besteht. Wir sind noch immer am Grübeln, wie man dort wohl hingekommen wäre. Aber es gab ja zum Glück noch so viel mehr zu entdecken, dass dieses Versäumnis nicht ganz so tragisch ist. Zum Beispiel all die kleinen Pavillons rings um den achteckigen Turm, mit ihren bunt glasierten Kacheln und den feinen Keramikfiguren und Steinlöwen an den Dachsimsen; außerdem der grandiose Blick hinunter zum See und ferner zum letzten Gebäude in der Reihe – dem Tempel des Meeres der Weisheit. Mit den grün-gelben Fliesen und der Vielzahl von Buddha-Darstellungen stach einem dieser besonders ins Auge.
Wieder am Boden angelangt, haben wir die Erkundungstour fortgesetzt und uns zu Cixis Marmorschiff und – nach einer kurzen, nicht ganz billigen Kaffee-Pause – zu den kaiserlichen Bootshäusern aufgemacht.
Da die Zeit dann ja irgendwo doch immer begrenzt ist, war es uns in den wenigen, zur Verfügung stehenden Stunden nicht mehr möglich, den Kunming See einmal komplett zu umrunden. Zumindest sind wir aber ein Stück den Westlichen Damm entlangspaziert, um auch von dieser Seite aus einen Blick auf die Palastanlage zu erhaschen.
Auf dem Rückweg haben wir gleich die Gelegenheit genutzt, in eins der auffälligen, gelben Boote zu springen. Während der Überfahrt zur Insel im Südsee hatte man vom Wasser aus eine wirklich fantastische Sicht auf den Berg der Langlebigkeit mit dem Pavillon des Buddhistischen Wohlgeruchs.
Auf der Insel im Südsee steht einzig der Tempel des Drachenkönigs. Hier betete Kaiserin Cixi zu Dürrezeiten um Regen. Wir dagegen waren über jeden Tag froh, den wir im Trocknen weiterreisen konnten.
Um diese Insel nun wieder zu verlassen, nahmen wir dieses Mal allerdings kein Boot, sondern den Weg über die Siebzehn-Bogen-Brücke, die wir zu Beginn unseres Besuchs schon von Weitem gesehen hatten. Im Licht der Abendsonne, mit den sich dahinter im Dunst abzeichnenden Bergen und den kleinen Fischkuttern, gab das eine traumhafte Kulisse ab.
Nun wurde es langsam Zeit, die Anlage des Sommerpalasts zu verlassen. Da wir den Nordausgang über den Hinteren See mit der Sushou-Straße nehmen wollten, hatten wir nun allerdings ganz schön Strecke zurückzulegen. Aber in Nachhinein waren wir sehr froh über diese Entscheidung; nur hätten wir auch hier wieder etwas mehr Zeit gebraucht, um diese – dem Wasserdörfchen Suzhou nachempfundene Ladenstraße – zu erkunden. Jetzt war allerdings leider schon alles geschlossen. Dafür haben wir aber noch einen letzten Tempel erspäht, der mich doch sehr an die tibetischen Kloster erinnerte, und meine Vorfreude auf Chengde nur noch größer machte.
Peking-Ente in Peking
Wieder zurück in der City, hatten wir aber noch eine Sache auf dem Plan, die wir heute unbedingt in Angriff nehmen wollten. Denn wenn man schon in Beijing ist, dann sollte man wenigstens auch einmal Peking-Ente gegessen haben. Gesagt, getan.
In meinem Reiseführer hatte ich das Lokal Jingzun Peking Duck gefunden, wo diese Delikatesse auch erschwinglich sein sollte. Bis wir uns durch das Viertel gekämpft hatten, waren wir inzwischen schon so hungrig, dass wir gierig über das mit Crackern bereit gestellte Körbchen herfielen, während man unser Federvieh zubereitete. Doch es dauerte gar nicht lang, dann holte mich auch schon der Kellner, damit ich dem Koch dabei zuschauen kann, wie der unsere Ente zerlegt. Bei der Gelegenheit machte er mir auch unmissverständlich klar, dass fotografieren sogar durchaus erwünscht sei. Hier ist man in der Tat auf Touristen eingestellt.
Für eine Peking-Ente ist es typisch, die mundgerecht geschnittenen Fleisch- und Hautscheiben – die man getrennt voneinander zubereitet – mit den Gurken- und Lauchstreifen in hauchdünne Pfannekuchen einzurollen und mit der braunen, süßlich schmeckenden Hoisin-Sauce zu bestreichen. Selbstredend, dass man diese dann im Ganzen mittels Stäbchen zum Mund führt. – Und nein, Flo ist nicht verhungert. Trotzdem, hier gehen dann unsere Geschmäcker doch etwas auseinander; mir hat es sehr gut geschmeckt, Flo hingegen würde sich eine Peking-Ente wohl eher nicht noch einmal bestellen. Schauen wir mal!
05.09.2020 – Beijing – Tian’an Men, Tempel & Ming-Gräber
Wir haben schon gar nicht mehr daran geglaubt, dass wir dieses Jahr doch noch eine Möglichkeit finden würden, den Tian’an Men Platz zu betreten. Vielleicht ist das im Normalfall ja kein Problem, aber wie oben schon von mir erwähnt, wurde anlässlich des 70jährigen Bestehens der VR China in dieser Woche Staatsbesuch erwartet, und so war der gesamte Platz weiträumig abgesperrt. Es war also Geduld gefragt oder Glück; und das hatten wir am letzten Tag dann doch noch, selbst wenn es uns ein paar Umwege gekostet hat.
Tian’an Men Platz – Platz des Himmlischen Friedens
Dem Namen nach verheißt dieser Platz doch etwas anderes, als wofür er letzten Endes (1989) traurige Berühmtheit erlangen sollte und damit Geschichte schrieb. Doch da ich in meinem Vorwort schon näher auf dieses Thema eingegangen bin, würde ich euch bitten, bei Interesse dort noch einmal nachzulesen.
Mit über 440000 m² ist der Tian’an Men Guangchang jedenfalls der größte öffentliche Platz der Welt. Er wird von einer Reihe 1950er Jahre Bauten im Sowjetstil gesäumt, womit er vielleicht nicht unbedingt das Prädikat “schön” verdient; imposant trifft es dann wohl eher.
Das Qian Men Doppeltor – am Südende des Platzes – wurde gerade noch für die Feierlichkeiten aufgehübscht. Als man das Gerüst am Abend entfernt hat, stand leider schon unsere Abreise kurz bevor.
Die Große Halle des Volkes linkerhand – wo Chinas Legislative sitzt – und das Chinesische Nationalmuseum rechterhand, waren momentan ebenso wenig zugänglich; und für das mitten auf dem Platz befindliche Mao Mausoleum fehlte uns letzten Endes schlicht und ergreifend die Zeit, um uns in die lange Schlange einzureihen. Doch ehrlich gesagt, sind wir eh nicht so die großen Fans von Museen. Aber vielleicht kommen wir ja irgendwann noch einmal nach Beijing, und können uns dann zumindest das Mausoleum anschauen. Für uns war es in dem Moment beeindruckend genug, einfach nur auf diesem riesigen Platz zu stehen und schließlich wieder Maos Porträt am Tor des Himmlischen Friedens vor Augen zu haben. Das Tor, wo alles begann – für die Chinesen mit der Verkündung der Volksrepublik unter Maos Herrschaft, und für uns vor 2 Tagen unser Aufenthalt in Beijing mit dem Besuch der Verbotenen Stadt.
Kong Miao – Konfuziustempel
Eigentlich hatten wir die Absicht, mit dem frequentierten Lamatempel unsere Besichtigungstour zu starten, bevor dort der große Ansturm beginnen würde. Doch da dessen Tore noch verschlossen waren, sind wir schnurstracks ein paar Meter weiter zum Kong Miao marschiert, und haben uns diesen eben zuerst angeschaut.
Dass dies der zweitgrößte Konfuziustempel ist – der größte steht in Qufu, dem Heimatort des Meisters höchstpersönlich -, davon war an diesem herrlichen Morgen nichts zu spüren. Während es überall anders nur so vor Touristen und Gläubigen wimmelt, konnte man dagegen an diesem stillen Ort, zwischen all den alten, knorrigen Zypressen und den bunten Pavillons, noch die Ruhe genießen.
Übrigens, die steinernen Figuren mit den gravierten Stelen auf ihren Rücken sind keine Schildkröten, sondern eine Kreuzung aus eben diesen und Drachen – genannt auch mythologische Bixi.
Fast hätten wir nun schon wieder das Gelände verlassen, wenn ich nicht so neugierig gewesen wäre, durch den üppigen, grün-gelb gefliesten, 3-torigen Gedenkbogen zu spähen. Denn dahinter befindet sich etwas versteckt die Kaiserliche Akademie, die man sich durchaus auch anschauen darf. Vor allem das prachtvolle Innere der Biyong Halle war wirklich sehenswert.
1306 wurde die Akademie von einem Enkel Kublai Khans erbaut und von da an zur Ausbildung hoher Beamter genutzt. Einmal im Jahr hielt der amtierende Kaiser vor allen Schülern und Studenten eine Zeremonie ab, wo er konfuzianische Klassiker zum Besten gab.
Yonghe Gong – Lamatempel
Nun war es aber soweit und endlich auch der Lamatempel geöffnet. Im Nachhinein erwies es sich sogar als Vorteil, dass wir zuerst den Konfuziustempel besichtigt haben. Inzwischen hatten sich die Reihen etwas gelichtet, und so konnten wir nun ganz entspannt hineinspazieren.
Schon von Weitem vermochte ich die gen Himmel steigenden Schwaden der Räucherstäbchen auszumachen und deren betörenden Duft einzuatmen. Stundenlang könnte man jetzt einfach nur so dasitzen und dem Treiben der Gläubigen zuschauen; wie diese ihre Stäbchen anzünden, zum Gebet auf die Knie fallen oder die Gebetsmühlen drehen. In so einem Moment packt einen gleich eine seltsame Vertrautheit, und man fühlt sich einfach nur glücklich, sowas erleben zu dürfen. Asienliebhaber können das bestimmt sofort nachempfinden; jedoch lässt sich diese Mystik vermutlich nur greifen, wenn man es selbst schon so erlebt hat. Und während ich nun hier sitze und all das tippe, löst es auch sofort wieder dieses unendliche Fernweh in mir aus.
Ursprünglich diente dieser Tempel als Residenz von Prinz Yongzhen und wurde 1744 letztendlich in ein buddhistisch-tibetisches Kloster umgewandelt. Yonghe Gong ist der größte und bedeutendste lamaistische Tempel außerhalb Tibets und die am besten restaurierte und am meisten besuchte religiöse Stätte Beijings. Wenn man die Halle des Gesetzesrades (Falun Dian) betritt, sieht man dort die riesige Bronzestatue des Begründers des tibetischen Galugpa-Ordens (Gelbmützen) sitzen.
Von den insgesamt 5 Gebetshallen, die über mehrere Innenhöfe miteinander verbunden sind, ist der Wanfu Pavillon der beeindruckendste. Hier steht auch die 18 Meter hohe Statue des Maitreya-Buddhas, welche nur aus einem einzelnen Sandelholzbaum geschnitzt wurde – ein Geschenk des 7. Dalai Lamas an Kaiser Qianlong, den Gründer dieses Klosters. Gerne hätte ich euch davon auch noch ein Bild präsentiert, doch im Allgemeinen ist es nicht gern gesehen, im Inneren sakraler Stätte zu fotografieren.
Ming-Gräber
Die Anreise zu den Ming-Gräbern gestaltete sich doch ein wenig schwieriger als gedacht. Doch auch wenn die meisten Touristen eine Kombitour in Verbindung mit der Chinesischen Mauer buchen und sich dann ganz entspannt vom Bus vor der Haustür absetzen lassen, wollten wir es hingegen wieder einmal wissen, und auch das auf eigene Faust machen.
War man bisher von der Metro verwöhnt, wo zumindest die Fahrtziele in Pinyin angeschrieben sind, dann schaut man beim Busfahren erst einmal dumm aus der Wäsche. Allein schon die Haltestelle für Bus Nr. 872 am Deshengmen Tor zu finden, war eine Herausforderung für sich. Woher sollten wir denn ahnen, dass man erst einmal einen gefühlten Kilometer lang sämtliche andere Stationen passieren und danach dreimal die Straße überqueren muss? Aber nach einer Weile hatten wir uns schließlich doch noch zur richtigen Haltestelle vorgearbeitet und sogar Glück, dass gerade ein Bus zum Abfahren bereit stand.
Die Fahrt über saßen wir dennoch ziemlich nervös auf unseren Sitzen, um ja nicht zu verpassen, wo wir aussteigen müssen. – Endstation kann ja jeder sagen! Mir kam das trotzdem äußerst spanisch vor, als unser Bus nach einer Stunde erst mal wieder die Richtung wechselte; dass das jedoch seine Richtigkeit hatte, konnte Flo via Maps.me auf seinem Handy verfolgen. Aber etwas mulmig war mir immer noch zu Mute, bis wir dann endlich auf einem großen Parkplatz vis-à-vis von einem riesigen roten Tor eintrafen. Das könnte vielleicht sogar richtig sein.
Wie die Überschrift sicher schon vermuten lässt, handelt es sich hierbei um die Ruhestätten der verstorbenen Kaiser aus der Ming-Dynastie; um genau zu sein, wurden an dieser Stelle 13 der 16 Herrscher bestattet. Besucht haben wir allerdings nur die Gräber von Chang Ling und Ding Ling, da diese zu den wenigen gehören, die man restauriert hat. So bekamen wir nun eine exakte Vorstellung davon, wie eine kaiserliche Grabkammer aufgebaut ist.
Im Grunde genommen ist die Struktur all dieser Anlagen immer die Gleiche. Man kommt zuerst durch ein hallenähnliches Haupttor zu dem größten Gebäude, meist der Opferhalle. Das letzte Bauwerk auf der Süd-Nord-Achse ist der Seelenturm, der den Eingang zur Grabkammer markiert, welche sich unter einem monströsen Erdhügel befindet.
Anhand der Ausrichtung kann man auch hier wieder erkennen, dass man sich streng an den Prinzipien des Feng Shuis orientiert hat. Die im Norden angrenzenden Berge waren bestens dafür geeignet, um die Toten auch im Jenseits vor bösen Geistern zu schützen.
Chang Ling – Kaiser Yongle
Die erste Ruhestätte, die wir aufsuchten, war die vom 3. Ming-Kaiser Yongle, der u.a. den Bau der Verbotenen Stadt veranlasst hat. Von dessen Bestattungsname – Chang Ling – leitet sich schließlich auch der Grabname ab.
Yongle war der erste, der auf diesem 80 ²m großen Areal bestattet wurde; natürlich nicht allein, mit ihm gingen seine Frau und 16 Konkubinen.
Jetzt soll aber keiner auf die Idee kommen, dass diese post mortem beigesetzt wurden. Die Frage stellte sich überhaupt nicht, ob man seinem Kaiser über den Tod hinaus ergeben blieb. (Sehr anschaulich beschrieben ist dies auch in Anchee Mins “Die Letzten Kaiserin”.)
Das Innere dieses Grabhügels blieb uns leider verborgen, aber den Seelenturm konnten wir besteigen und von dort auf die gesamte Anlage hinab und in die Berge dahinter blicken.
Die Halle der Himmlischen Gunst durfte allerdings betreten werden. Sie gehört zu den schönsten, noch im Original erhaltenen Ming-Gebäuden. Ihr gewaltiges Doppeldach wird von 13 Meter hohen Säulen aus Zedernholz getragen. Im Inneren sind – neben einer Statue von Kaiser Yongle – einige Kunstgegenstände ausgestellt, die man bei der Ruhestätte von Kaiser Wanli ausgegraben hat.
Ding Ling – Kaiser Wanli
Heiß, heißer, am heißesten. Doch es half nichts, die Grabstätte von Kaiser Wanli mussten wir uns unbedingt noch anschauen; enthält diese doch die einzige Grabkammer, die freigelegt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.
Fast alle weiteren Gebäude wurde allerdings zerstört oder während der Kulturrevolution geplündert. Das mag diese Stätte für manche vielleicht etwas unattraktiver erscheinen lassen, ich hingegen empfand es hier wesentlich angenehmer; wenn man das überhaupt so sagen darf. Vielleicht lag es aber auch einfach nur daran, dass man zwischen all der Bepflanzung, die Hitze als weniger drückend empfand.
Das Innere der Grabkammer stellt man sich am besten als eine große Hauptröhre (Haupthalle) vor. Links und rechts davon verläuft jeweils parallel eine kleinere Röhre (Seitenkammern) – durch einen winzigen Gang mit der Haupthalle verbunden -, wo vermutlich die Konkubinen begraben wurden. Genau kann das jedoch keiner sagen, denn diese Kammern fand man leer vor.
Am nördlichen Ende der Hauptröhre schließt sich als Quergang die eigentliche Grabkammer an, welche die roten Lacksärge von Kaiser Wanli und seinen beiden Frauen enthielt – und irgendwo dazwischen noch diverse Grabbeigaben.
Unsere Neugier war nun soweit befriedigt, damit hätte es eigentlich für heute reichen können. Eigentlich, denn immer gibt es noch die eine Sache, die ich mir unbedingt anschauen will. Flo wäre ja dafür gewesen, dass wir uns so langsam auf den Rückweg begeben, aber so richtig wollte er mir den Wunsch dann doch nicht abschlagen.
Jetzt hatten wir leider nur den Fehler gemacht, auf dem Hinweg gleich zur Endstation durchzufahren. Im Irrgarten der Buslinien war es aber scheinbar nicht vorgesehen, auf direktem Weg den Eingang des Seelenwegs zu erreichen. Und mit den Haltestellen, das ist in China eh so ein Thema…
Auf jeden Fall wollten wir nichts unversucht lassen und sind zielstrebig zur Buslinie gegangen. Doch sobald man sich als ausländischer Tourist entpuppt, ist man gnadenlos verloren. Zu gerne hätte ich mich irgendwie zu unserem Ziel mittels öffentlicher Verkehrsmittel durchgeboxt, doch Flo reicht es dann irgendwann mit den Experimenten. So hat er sich bereitwillig, ich hingegen eher widerwillig, dem Angebot des aufdringlichen Taxifahrers ergeben. Und da war es wieder, dieses ungute Gefühl, wenn man auf der Rückbank sitzt und jemand Fremdes vertrauen soll. Vor allem, wenn dieser dann wo ganz anderes hinfährt, als das eigene Navi anzeigt.
Doch alles in allem hatten wir Glück, da unser Chauffeur lediglich einem Stau ausweichen wollte, nachdem sich vor uns ein Bus auf der Straße quergestellt hatte. Trotzdem, in Deutschland würde wohl kein Taxifahrer auf die Idee kommen, seine 4-rädrige Institution freiwillig über solche “Wege” zu jagen.
Seelenweg
Mist, jetzt hatte uns der Taxler doch tatsächlich am Hintereingang bzw. Ausgang abgesetzt. Erst als es bereits zu spät und unser Fahrer wieder abgedüst war, wurde mir plötzlich klar, warum er zuvor so lange mit den Damen am Ticketschalter diskutiert hat; obwohl wir ja im Besitz von 2 gültigen Eintrittskarten waren.
Normalerweise rollt man das Ganze vom Süden kommend auf, und geht dann die einzelnen Stationen auf der Straße der Seelen ab. Das war ursprünglich auch unser Plan. Jetzt blieb aber nichts Anderes übrig, als den Spieß herumzudrehen. So kamen wir zuerst an den 36 massiven Steinstatuen vorbei, die sich aus einer Garde von Tieren und Beamten der Ming zusammensetzen.
Am Großen Palasttor trafen wir auch wieder auf eine jener mythologischen Bixi, mit einer riesigen Stele auf dem Rücken. Noch schnell ein, zwei Fotos geschossen, dann aber nix wie zum Bus, bevor keiner mehr zurück nach Beijing fahren würde. Der letzte ging um 18 Uhr.
Begegnung mit der 3. Art – Busfahrpläne
Auch jetzt wurden wir noch einmal auf die Probe gestellt. Zwar konnten wir immerhin so etwas wie eine Haltestelle finden, aber ob dort auch unser Bus abfuhr, das war nicht auszumachen. Wir hatten im Vorfeld zwar extra einen Chinesischkurs absolviert, dort allerdings nicht die Schriftzeichen erlernt, sondern nur mit der Transkription gearbeitet. Aber ganz unabhängig davon, was man nun lesen kann oder nicht, chinesische Busfahrpläne funktionieren auch komplett anders als unsere. Ehrlich gesagt, weiß ich immer noch nicht, was überhaupt auf den Tafeln stand. Ob das nun Haltestellen, Fahrtrichtungen oder sogar Uhrzeiten waren, entzieht sich völlig meiner Kenntnis.
Auch mit der Verständigung war es nicht leichter. Es konnte uns einfach keiner erklären, wann der nächste Bus kommt. Ich bin mir sicher, es hat auch keiner wirklich verstanden, was wir von ihnen wollten.
Zu allem Übel musste ich nun auch noch dringend aufs Klo. Mit meinem Reiseführer bewaffnet, habe ich mir versucht einzuprägen, was “Wo haben Sie die Toiletten?” heißt und eben das 2 älteren Damen begreiflich machen wollen. Während die sich köstlich über mich oder auch meine Aussprache amüsiert haben, kam Flo auch schon angerannt und rief mir vom Weiten “der Bus” zu. – Gott sei Dank! – Nun musste ich zwar immer noch, aber wenigstens hatten wir den Bus nicht verpasst. Als wir uns nach über einer Stunde endlich durch den Feierabendverkehr gekämpft hatten, war ich so was von erleichtert. Da soll mal einer sagen, wir Frauen können nicht leiden.
Unsere letzten Stunden in Beijing
Inzwischen war es schon recht spät und fing auch so langsam an zu dämmern. Höchste Zeit, endlich was zum Essen aufzutreiben. Auf der Suche nach etwas Geeignetem kamen wir an der Rückseite der Großen Volkshalle vorbei und haben uns noch gewundert, was das denn für ein riesiges Ei sein soll, das sich da bei Sonnenuntergang so schön im Wasser spiegelte. Jetzt wissen wir: dies was das Chinesische Nationaltheater. Wirklich mal ein herber Kontrast zu unserem bisherigen Programm.
Dafür kam das Abendessen mit den Jiaozi wieder recht klassisch daher. Vergleichbar sind diese kleinen, gekochten, unterschiedlich gefüllten Teigtaschen ungefähr mit unseren Maultauschen. Allerdings schwimmen diese in keiner Brühe, sondern man bekommt sie meist gedämpft – wie auch schon die Baozi – in einem Körbchen serviert und tunkt sie dann in Sojasoße oder Reisessig.
Damit ging nun leider auch schon unser Aufenthalt in Beijing zu Ende. Noch eine allerletzte Nacht in dem wunderbaren Qianmen Courtyard Hotel, dann hieß es am nächsten Morgen, mal richtig früh aufzustehen, um zur Chinesischen Mauer weiterzureisen.
Fazit
Ich hab des Öfteren von Leuten gehört oder auch gelesen, dass sie mit Beijing nicht so viel anfangen können. Das kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Flo und ich waren von dieser Stadt absolut begeistert. Beijing hat für den Kulturinteressierten so viel zu bieten, dass man ohne Weiteres noch ein paar Tage dranhängen könnte. Mag sein, dass man das nach einem Besuch nicht beurteilen kann, mag sein, dass wir auch einfach Glück hatten, weil alles so gut gelaufen ist, das Wetter optimal war und wir auch auf die richtigen Leute getroffen sind. Aber mein kurzes Leben wird nicht dafür ausreichen, deshalb jeden Ort nun fünfmal aufzusuchen. Was zählt, ist der Moment, und ich hatte sehr viele sehr schöne Momente in Chinas Hauptstadt. Für mich war die Zeit hier ein unvergessliches Erlebnis, und ich werde noch lange im Positiven daran zurückdenken.