Schneeschuhtour Benediktenwand – Januar 2018

Auch noch 22 Ausflüge später kann ich behaupten, dass sich keine andere Wintertour mir mehr ins Gedächtnis gebrannt hat.
Irgendwann beim Laufen kam mir die fixe Idee, man könne die Benediktenwand ja auch mal bei Schnee in Angriff nehmen. Da Flo mir nicht wirklich viel entgegenzusetzen hatte, wurde aus einem spontanen Gedanken schon sehr bald harte Realität.

13.01.2018 / Benediktenwand

Lawinenwarnstufe 1, die Tage zuvor war die Lage auch stabil, der Schnee hat sich gut verfestigt, die Wetterprognose für heute optimal, zu warm werden sollte es auch nicht – es konnte also losgehen.

Von vornherein war uns bewusst, dass es ein sehr langer Tag werden würde, deshalb sind wir noch im Dunkeln mit den Stirnlampen von zu Hause aufgebrochen.
Am Zielhang ging es ein Stück das Brauneck hinauf und quer über den Weltcuphang in Richtung Längental. So etwas kann man natürlich nur um solch eine Uhrzeit machen, wenn die Pisten noch nicht befahren und auch keine Schneekanonen in Betrieb sind.

Nach ca. 2 Stunden sind wir an der Hinteren Längentalalm angekommen, wo wir uns noch einmal ordentlich stärken wollten, bevor nun der anstrengende Teil der Tour losgeht. 

Pünktlich zu dem Moment als auch wir wieder in den Startlöchern standen, begann der Himmel allmählich aufzureißen, und man konnte den Rotöhrsattel schon erkennen, zu welchem wir nun im Begriff waren, hinauf zu steigen. Auch die Probstenwand kroch langsam aus den Wolken hervor.

Der Untergrund war richtig schön fest, so dass wir keine Schneeschuhe brauchten. Das kam uns ganz gelegen, da diese den nun folgenden Steig auch eher im Weg gewesen wären.

Was wir bei unserer Planung ein wenig außer Acht gelassen hatten, war die Tatsache, dass wir uns nun schon bald direkt unterhalb der Probstenwand bewegen würden, und dort ein nicht ganz ungefährlicher Hang zu queren ist. Erst jetzt konnte ich mich wieder daran erinnern, was sich eigentlich für eine Geröllwüste darunter befindet. 
Es half trotzdem nichts, wir mussten nun irgendwie hier drüber. Bei LWS1 wird man das schon noch verantworten können. Also schauten wir, welche Bäume uns vom Herbst her noch bekannt vorkamen und haben uns langsam und vorsichtig auf die andere Seite gearbeitet. 

Als ich meinte, es überstanden zu haben, musste ich das erste Mal kapitulieren, denn es gibt hier eine besonders enge Stelle, an welcher der Schnee nach unten rutscht. Und genau an dieser Hangkante stürzt sich der Wasserfall unter den eigenen Füßen in die Tiefe. Zu der Zeit noch etwas unerfahrener und vor allem unsicherer, habe ich mir nun ein wenig in die Hose gesch…, weil ich einfach nicht in der Lage war, meinem Geist Herrin zu werden, der sich nun sämtliche Absturzszenarien auszumalen versuchte.
Es half nur eins: 2 Meter an einen sicheren Standpunkt zurückgehen, Schneeketten anlegen und meinem Hirn verklickern, dass mit denen nun alles viel besser werden würde. Und es ging! Vorerst…

Wieder voller Optimismus ging es an der Arzbach entlang, mal links, mal recht, in jedem Fall aber traumhaft schön. Bald sahen wir auch noch eine Tourenskispur, der wir wohl bedenkenlos folgen könnten. Wo bitte sollte sie auch sonst hinführen? 
Wir wussten nur, dass wir irgendwann wieder einmal links über den Bach müssen, wenn wir zur Probstalm gelangen wollen, von der es weiter zum Sattel geht. Doch obwohl wir im Herbst diesen Weg schon einmal von oben herunter gekommen sind, ließ er sich nun ums Verrecken nicht aufspüren.
Vor uns war in Sichtweite nun ein fetter Felsklotz, dem ich auch heute noch keinen Namen zuordnen kann. Doch aus der Wegbeschreibung heraus hat ich noch im Sinn, dass man im Winter irgendeinen Felsen sowohl links als auch rechts umgehen kann. Dass das ein anderer gewesen wäre, war uns erst im nachhinein bewusst.

Also sind wir den Spuren erst einmal weiter geradeaus immer in Richtung namenlosen Felsen gefolgt. Doch dann meinte ich zu Flo, dass die plötzlich in eine ganz andere Richtung weitergehen, und wir auch gleich links den Hang hinauf könnten, wenn wir zum Rotöhrsattel wollen. Gesagt, getan!
Irgendwie war ich zu dem Zeitpunkt noch der Meinung, dass man wesentlich schneller oben ankommt, wenn man steiler nach oben geht. Im Normalfall klingt das auch ganz logisch, und so extrem steil sah der Hang von unten gar nicht aus.

So ganz ging meine Rechnung dann leider doch nicht auf, und ich habe ziemlich weit oben am Felsen klebend gemerkt, dass das Queren auch nicht besser funktioniert, je steiler es wird. Also bin ich erst einmal wieder ein paar Schritte zu Flo hinab, und wir haben es von hier aus versucht. 
Nun bin ich sicher kein Experte, aber 35-40 % hat der Hang bestimmt. Ab dieser Neigung kann man schon von Absturzgelände sprechen. Flo ist da immer etwas optimistischer als ich, aber es war wirklich brutal kräftezehrend, bei jedem Schritt erst seitlich mit dem Fuß eine Stufe in die sehr sehr harte Schneedecke zu schlagen – und dass auch noch mit einer kaputten Sehne. Da kommen einem 100 Meter ewig vor. Zum Glück hat mich Flo doch noch überreden können, nach der halben Strecke voraus zu gehen und mir die Arbeit abzunehmen. Er war schon ein wenig zackiger unterwegs als ich. Jetzt wusste ich auch wieder, warum ich mir so einen starken Kerl gesucht habe. *ggg*
Ganz schön erledigt kamen wir viel zu spät am Rotöhrsattel an. Es konnte also nur noch besser werden.

Wunderwunderwunderschön und inzwischen auch das Kalenderfoto für Januar 2019. All die Mühen hatten sich zu 1000 Prozent gelohnt. Inmitten auf strahlend weißem Schnee schauten wir nun auf die Benediktenwand zur rechten und zu den Achselköpfen zur linken Hand, rechts hinter uns Hennenkopf und Probstenwand, darunter das Isarwinkeltal im Wolkenmeer und vor uns eine gigantische Sicht ins Karwendelgebirge. Egal was noch kommen sollte, den Moment kann uns keiner mehr nehmen.


Vergeblich wartete ich darauf, dass nun die Wegweiser auftauchen, die uns bei der Orientierung helfen würden. Dabei haben wir gar nicht gemerkt, dass wir womöglich schon drüber weg gegangen sind. Die Benediktenwand kann man wohl schlecht übersehen, aber wir waren auf der Suche nach dem uns so vertrauten Weg. Doch genau wie die Schilder und Latschenkiefern war der unter all dem Schnee tief vergraben. Erst die Verankerungen am Felsen haben uns zu verstehen gegeben, dass wir uns schon längst an dem Punkt befanden, wo wir hin wollten. Stöcke also zusammen geklappt, damit diese uns nicht im Weg sind, und dann ging es an den Drahtseilen nach oben. So richtig wohl war es uns dabei allerdings nicht. 
Nach den ersten 2 Passagen war das Seil schon so eingeschneit und festgefroren, dass wir es nicht mal mehr aus dem Eis lösen konnten. Das war uns dann doch zu heiß. Wie würde es danach wohl weitergehen? Außerdem, runterkommen mussten wir ja schließlich auch noch irgendwie wieder – und das ist bekanntlich immer noch schwieriger zu bewältigen. Da es zu allem Übel auch noch viel später war, als wir uns ursprünglich errechnet hatten, sind wir nun doch schweren Herzens wieder rückwärts hinab. Etwas mulmig war es mir dabei allerdings schon zumute.
Doch was nun? Den Aufstiegsweg wollten wir unter keinen Umständen wieder zurückgehen. So entschiedenen wir uns, zur Tutzinger Hütte abzusteigen, denn von dort aus sollte es ja auch noch einen Weg nach Lenggries geben.
Leichter gesagt als getan!!! Unverschneit ist dieser Geländeabschnitt schon sehr steil, doch da gibt es wenigstens einen kleinen Weg, der sich nach unten durch die Latschen schlängelt.

Zum Glück bin ich gleich los, ohne vorher darüber nachzudenken. Die ersten Meter, mit den Schneeketten an den Füßen, so steil nach unten mag ja vielleicht noch gehen, doch dann brennen selbst dem besten Pumper ziemlich schnell die Oberschenkel wie Feuer. Wir haben also als nächstes versucht, ein wenig nach links raus zu queren, doch dann wurde der Hang auch hier wieder extrem steil. Zu allem Überfluss hat sich auch noch der nur oberflächlich verharschten Schnee in Platten über dem pulvrigen Schnee gelöst, die nun komplett den Hang hinunter gerutscht sind. Nichts wie stehen bleiben, sammeln und Rückwärtsgang rein!!! Nun blieb uns nur noch übrig, wieder direkt den Hang herunterzugehen. 
An einer Stelle haben noch ein paar wenige Latschen oberflächlich aus dem Schnee geragt. Über die haben wir uns – im wahrsten Sinne des Wortes – ein weiteres Stück nach unten gehangelt. Wirklich gut, dass uns dabei keiner zugeschaut hat. Obwohl, ich habe selten so die Zweisamkeit verflucht.
Man mag vielleicht denken, warum wir uns nicht einfach auf den Hintern gesetzt haben und nach unten gerutscht sind. Ganz einfach: 1. wollten wir nicht ganz nach unten und 2. mussten wir auch nicht mit Gewalt doch noch eine Lawine auslösen. 
Mal auf dem Höhenniveau angekommen, was wir vorerst nicht unterschreiten wollten, ging es nicht gut, aber immerhin besser voran. Immer wieder gab es Stellen, wo man sich dachte: “Hört das denn nie auf?”
Am “Glennen Bergl” mussten wir wieder ein paar Meter nach oben und von da an etwas entspannter zur Tutzinger Hütte hinab. Zum Glück war es möglich, den Sommerweg, der direkt unter der Benediktenwand entlang geht, zu meiden. 

Schließlich waren wir so etwas von erleichtert, an einem Stück endlich hier angekommen zu sein und auch, dass wir das mit der Überschreitung nicht durchgezogen haben.

Erst jetzt wurde uns bewusst wie hungrig wir inzwischen waren, aber auch wieder einmal wie allein.
Allzu lange durften wir uns allerdings nicht aufhalten. Es war schon 14 Uhr, und wir kannten unseren Heimweg noch nicht – um nicht zu sagen: Wir hatten keine Ahnung, wie wir heimkommen sollten.

Also so ein Mist! Jetzt sind wir zur Tutzinger Hütte hinunter und müssen auf dem selben Weg wieder nach oben. Zumindest einiges an Zeit und Höhenmetern hätten wir uns sparen können. Zum Glück sah der Weg vor, doch irgendwann einmal links in den Wald hinein zu biegen. 
Auf der Oberen Hausstattalm kamen wir wieder aus dem Dickicht heraus und waren froh, endlich wieder etwas zu sehen; weniger allerdings, nun erst einmal auf einer großen Wechte zu stehen. Doch die haben wir großspurig umgangen und dann erst einmal überlegt, was wir weiter tun. 
Der Blick auf den möglichen Weg, der zur Tiefentalalm hinunter gehen sollte, verhieß uns nichts Gutes. Welche Alternativen hätten wir nun also noch? Flo meinte, in der Karte auf seinem Handy wäre noch etwas zwischen Hennenkopf und Probstenwand eingezeichnet. (Ich kann das hier kaum schreiben, ohne mir nun dabei an den Kopf zu langen.) Also haben wir unsere letzten Kräfte mobilisiert, um noch einmal zum Hennenkopf aufzusteigen. Ich dachte mir damals nur noch: “Bitte lieber Gott, lass das die Lösung für all unsere Problemen sein.” – und war physisch und psychisch am Ende.
Am Hennenkopf angekommen, war die Welt für einen kurzen Moment wieder in Ordnung. Ein traumhafter Ausblick, und ich wusste, irgendwann komme ich hierher noch einmal zurück und klettere auf den Gipfel. Aber nicht mehr heute.

Da der Weg ja zwischen den beiden Bergen nach unten gehen sollte, mussten wir nun direkt an den Felsen vorbei den schmalen Hang queren. Doch die Sonne hatte den Schnee schon empfindlich aufgeweicht. Flo wollte es austesten, ich hab ihn aber sofort zurück gepfiffen. Das konnten wir nicht riskieren. Wirklich nicht! Außerdem hatte ich starke Zweifel, dass eine (in der Karte) gepunktete Linie, sich an einem Tag wie heute zum Hinuntergehen anbietet. 
Nun standen wir also da oben, gingen den Berg ein Stück an der einen, ein Stück an der anderen Seite hinab, haben sämtliche Wege und Möglichkeiten ausgetestet. Nichts!!! Immer wieder standen wir an einer Stelle, an der es nicht weiterging. Es war schon halb Vier, in einer Stunde würde es zu dämmern anfangen. Ich hätte wirklich heulen können und sah uns schon die Bergwacht rufen. Doch um jeden Preis hätte ich das vermeiden wollen. Wie peinlich ist das denn?
Flo, mein Retter, hat nach langem Hin und Her doch noch einen Abstieg gefunden. An der richtigen Stelle ein wenig durch die Latschen gemogelt, kamen wir nun auf den Polizeihang – rechts von dem Felsblock, den wir raufzu links umgangen haben – und sind auf diesem nach unten gerauscht. Der war zwar für normale Fußgänger ordentlich steil, aber uns war nun alles recht – selbst, den Wasserfall vom Hinweg noch ein zweites Mal zu überqueren. Hauptsache, wir würden überhaupt noch heil aus dem Ganzen wieder heraus kommen.

Gerade noch rechtzeitig bevor es zu dämmern anfing, kamen wir über die letzte brisante Stelle. Der Rest war dagegen ein Klacks. Erst an der Vorderen Längentalalm haben wir überhaupt überrissen, dass wir noch leben und uns einen kurzen Energie-Booster gegönnt. 

Da wir keinerlei Experimente mehr starten und auch keine Verzögerungen mehr in Kauf nehmen wollten, ging es auf demselben Weg vom Morgen mit unseren Stirnlampen in der Dunkelheit zurück.
Erst auf dem Sofa habe ich alles noch einmal Revue passieren lassen und realisieren können. Ich schwor mir, nie wieder wollte ich im Winter auf die Benediktenwand, und die nächsten Wochen sowieso erst einmal pausieren. 3 Tage später habe ich schon wieder darüber nachgedacht, was wir wohl am nächsten Wochenende machen könnten. 😉

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