Ålesund – die Jugendstilstadt
Fischerei, Flammenwut & Neues Kleid
Wer hätte es gedacht, dass Ålesund vor etwas mehr als 100 Jahren noch ganz anders aussah als heute; dass von den Gebäuden, die dieser Stadt zu ihrem Beinamen “Stadt des Jugendstils” verholfen haben, noch kein einziges stand?
Erst relativ spät erhielt Ålesund die Stadtrechte, und zwar im Jahre 1848, nachdem es zum größten Fischereihafen Norwegens ausgebaut wurde, und infolgedessen die Einwohnerzahl signifikant in die Höhe schoss. In Laufe der Zeit avancierte dieser sogar zum größten Exporthafen der Welt für Trockenfisch. Doch mit einem Mal war es vorbei mit dem kometenhaften Aufstieg, als in der Nacht zum 23. Januar 1904 im Stadtkern ein verheerendes Feuer ausbracht; ausgelöst durch eine einfache Petroleumlampe in einer Margarinefabrik. Da bis dahin noch Holz als bevorzugtes Baumaterial herangezogen wurde, griff die Flammenwut auf alle (mehr als 800) Häuser der Innenstadt über, und ca. 10000 Menschen wurden im Nu obdachlos. Ob man nun von einem Wunder sprechen mag oder darin hauptsächlich wirtschaftliches Interesse vermutet, jedenfalls erhielt Ålesund finanzielle Unterstützung aus aller Welt; allen voran von dem Norwegen-Verehrer Kaiser Wilhelm II., der noch am selbigen Abend 4 Schiffe der Kaiserlichen Marine mit Medikamenten, Lebensmitteln, Kleidung und auch Baumaterial entsandt – finanziert aus seinem Privatvermögen. Die einzige Bedingung war, dass von nun an die Häuser nur noch aus Stein errichtet werden durften. Innerhalb von 3 Jahren war Ålesund wieder aufgebaut und erstrahlt seither in dem seinerzeit so angesagtem Jugendstil. – Nun, die meisten Städte mögen vielleicht eine Altstadt haben, Ålesund dagegen verfügt dafür über ein Jugendstilviertel im Historischen Stadtkern.
Doch diese 48000 Einwohner Stadt kann nicht nur mit prachtvollen Häusern aufwarten, sondern sie besticht auch durch ihre äußerst idyllische Lage am offenen Nordmeer. So ist Ålesund, welches von Fjorden und kleinen Inseln gesäumt wird, selbst eine aus 3 Inseln ( Nørovøy im Osten, Apsøy in der Mitte und Heissa im Westen) bestehende Ansiedlung, die jeweils durch Brücken miteinander verbunden sind. Zwischen Nørovøy und Apsøy verläuft überdies die Meerenge Ålesundet, welche der Stadt letztendlich zu ihrem Namen verhalf. – Und von wo aus würde sich das alles wohl besser nachvollziehen lassen, als vom 189 Meter hohen Hausberg Aksla, den man über 418 Stufen noch oben steigen kann. Davon wollten wir uns natürlich gleich einmal höchstpersönlich überzeugen.
Ach und noch was: Ålesund ist übrigens auch der Ausgangspunkt für die Hurtigruten oder diverse andere Kreuzfahrtschiffe in den berühmten Geirangerfjord.
Auftakt am Aksla – 10. August 2020
Wie soeben schon erwähnt, lässt sich die Inselstadt Ålesund wohl von nirgends besser betrachten, als aus der Vogelperspektive. Deshalb fanden wir es auch durchaus sinnvoll, gleich mit dem Stadtberg Aksla zu beginnen und uns zuerst einmal von oben einen Überblick zu verschaffen.
Die Berghütte Fjellstua war immerhin nach dem zweiten Anlauf endlich gefunden; wobei ich ehrlich sagen muss, dass wir uns unter Berghütten bisher immer etwas anderes vorgestellt haben als dieses Kaliber, welches eher einem gelandeten Ufo glich. Auch die Parkplätze davor entsprachen noch nicht so ganz unseren Erwartungen, da man hier lediglich eine Stunde stehenbleiben durfte. Das war in unserem Fall natürlich nicht ausreichend, da wir eigentlich ja beabsichtigt hatten, die Sache von obenher aufzurollen. Doch bevor wir uns jetzt noch länger über die weitere Planungen den Kopf zerbrechen wollten, stiegen wir nun erst einmal aus, um das zu machen, wofür wir eigentlich hierauf gekommen waren.
Die Aussicht war wirklich grandios, noch zudem es das Wetter heute wieder sehr gut mit uns meinte. Wie eine schwimmende Stadt lag Ålesund nun zu unseren Füßen; umgeben von einer Fjordlandschaft aus tiefblauem Wasser und dunkelgrünen hügeligen Inselketten. Die gute Fernsicht ermöglichte es uns sogar, bis zu den schneebedeckten Gipfeln der Sunnmører Alpen auf dem südlichen Festland zu blicken. Vor allem aber war es die Mittlere Insel Apsøy, mit ihren bunten Jugendstilhäusern direkt am Ålesundet, die einem dabei förmlich ins Auge stach. – Ja, wir waren nun schon wirklich sehr gespannt, uns das gleich auch noch aus der Nähe anschauen zu können.
Glücklicherweise fanden wir dann doch noch eine Parkgelegenheit auf dem Aksla. Das Schöne daran war, dass wir somit unseren ursprünglichen Plänen treubleiben und gleichzeitig noch etwas die Füße auf dem Berg vertreten konnten. So stießen wir auf unserer Erkundungstour auf der grünen Lunge nun sogar noch auf ein paar alte Bunkerreste. Doch dann freuten wir uns auch darauf, endlich die 418 Stufen ins Herz der Stadt hinabsteigen zu dürfen; dabei die Inselwelt stets vor unseren Augen.
Nørovøy – Kongensgate
Durch den Stadtpark hindurch, in dem übrigens auch ein Gedenkstein für den deutschen Helden Kaiser Wilhelm II. steht, kamen wir als erstes nun zur Kongensgate. Diese 300 Meter lange Fußgängerstraße stimmte uns schon einmal bestens auf den Jugendstil ein – hier einer für diesen Stil so typischen Giebel, da eine schöne Stuckfassade, dann wieder ein schmucker Erker, dort ein verziertes Türmchen oder aber ein verschnörkelter Balkon. Selbst die Nasen der Trolle schienen hier etwas attraktiver als anderswo zu sein.
Apsøy – Jugendstil um den Ålesundet
Die wohl größte Dichte an Jugendstilhäusern sammelt sich um den Ålesundet. Als wir in Folge jetzt zur Uferpromenade von Nørovøy kamen, eröffnete sich uns ein wunderschöner Blick auf die Giebelhäuser der Apotekergate auf der gegenüberliegenden Seite; die bereits zu Apsøy gehörten. Diese wiesen zwar keine so große Detailverliebtheit auf, wie vielleicht andere noch folgende Häuser, dafür waren sie in all ihrer Farbvielfalt äußerst hübsch anzuschauen. Außerdem ist es nicht letzten Endes eben gerade dieses Gebäudeensemble, welches die Stadt von oben so maßgeblich prägt?
Das wohl schönste Jugendstilgebäude steht an der Apothekergate 16, direkt am Torget. Es beherbergt auch das Jugendstilzentrum, in dem man sich über die Geschichte der Stadt, insbesondere nach der Brandkatastrophe, informieren kann. Aber auch, wenn man die Apothekergate nun weiter in Richtung Ufer entlangspaziert, lassen sich noch viele dieser verspielten Jugendstilfassaden bewundern; so viele, dass es uns bald schon wieder gereicht hat, und wir froh waren, als wir was anderes zu sehen bekamen. So beendeten wir schließlich unsere Stadtbesichtigung mit dem Besuch des Hurtigrutenkais, an dem im Ålesund die Postdampfer ein- und auslaufen. Von hier aus hatten wir auch noch einmal einen schönen Blick auf Apsøy und im Speziellen auf das alte Speicherhaus “Oluf Holm”, in dem sich heute das Fischereimuseum befindet. Dieses Holzhaus aus dem Jahre 1861 ist eines der wenigen Gebäude, welches dem Brand 1904 trotzen konnte.
Kurz und schmerzlos
Warum sollten wir es nun mehr als nötig in die Länge ziehen! Wir hatten alles gesehen, was wir wollten, also begaben wir uns nun so langsam wieder auf den Rückweg zum Auto. Dieses Mal allerdings die 418 Stufen zum Aksla hinaufsteigend, konnten wir nun noch einmal auf die schöne Stadt zurückschauen und sie damit in guter Erinnerung behalten.
Noch als kleiner Tipp für alle Hobby-Ornithologen: Im Sørøyane-Archipel – südlich von Ålesund – befindet sich die drittgrößte (und zudem noch am leichtest zugänglichen) Vogelinsel Runde mit 500000-70000 Brutpaaren von mehr als 200 verschiedenen Seevogelarten. Besucht haben wir diese jedoch nicht, da wir es nicht so mit Vögeln haben. *haha*
Weiterfahrt nach Trondheim
Die Weiterfahrt nach Trondheim war ehrlich gesagt eine elende Gurkerei und hat uns so um die 4 Stunden gekostet. Einige Fjorde mussten dabei umfahren oder aber wieder per Fähre überquert werden. Dafür spielte das Wetter aber auch jetzt noch super mit, so dass wir während der Fahrt zumindest immer wieder ganz tolle Aussichten genießen konnten. Auf einem sehr lauten, an einer extrem frequentierten Straßen liegenden, Parkplatz, den man an Romantik erst einmal unterbietenden muss, fanden wir schließlich unseren Stellplatz für diese Nacht. Doch immerhin waren wir nun schon mal in der nächsten Region – Trondelag – angekommen.
Hallo und Danke für den informativen Artikel!
Sehr schön Blog.