Weltstadt & Wirtschaftsmetropole
In diesem Maßstab dachten die Briten vermutlich noch nicht, als ihnen Shanghai im Jahre 1842 als einer jener extraterritorialen Vertragshäfen zugesprochen wurde, die man nach den Opiumkriegen im Vertrag von Nanking festgehalten hat. Somit wurde den Insulanern – welche per Dekret nur den Gesetzen ihres Heimatlandes unterlagen – zugestanden, von dieser Hafenstadt aus freien Handel zu betreiben. Im gleichen Atemzug teilte man die Stadt in verschiedene Konzessionsbezirke auf, in welchen sich neben den Briten auch die Franzosen (1947), Amerikaner und Japaner niederlassen konnten. Jede davon verfügte von nun an über ihre eigene Polizeigewalt und Rechtsprechung.
YDa Chinas längster Fluss – der Yangzi – durch die Provinzen Zentralchinas fließt und schließlich in der Nähe von Shanghai ins Ostchinesische Meer mündet, war dieser Landstrich schon immer besonders fruchtbar. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich vor allem in Shanghai, welches am Huangpu – einem Nebenarm des Yangzis – liegt, besonders viele Menschen angesiedelt haben. Die strategisch günstige Lage dieser Stadt weckte natürlich auch in den ausländischen Kaufleuten Begehrlichkeiten, und so wählten sie diesen Hafen als Stützpunkt, um mit Opium, Seide und Tee zu handeln. Das wiederum rief schon bald die großen internationalen Geldinstitute auf den Plan, die ihresgleichen umgehend am “Bund” ihre repräsentativen Bankhäuser hochzogen. – Noch heute kann man an der Promenade des Huangpu das koloniale Erbe aus jener Zeit bewundern.
Die Kehrseite der Medaille ist, dass diese rasant wachsende Stadt auch ein geeigneter Nährboden für Kriminelle aller Art war. Unzählige Opiumhöhlen, Bordelle und Spielhöllen entstanden im Zuge dessen, die sich fest in den Händen organisierter Banden befanden. Von den Ausländern gefördert und später durch die Kuomintang geduldet, gipfelte die zunehmende Ausbeutung der Armen in dem unabdingbaren Wunsch nach einer gesellschaftlichen Veränderung. Paradoxerweise war es die Kommunistischen Partei, die es 1949 endlich schaffte, ihre Bevölkerung dahingehend zu befrieden und den Hunger, den Sklavenhandel und die Hunderttausend Süchtigen beseitigte. Doch mit den Kommunisten verabschiedete sich auch erst einmal aller Glanz und Gloria.
Wenn man die Chroniken der Partei studiert, war diese Stadt für sie schon immer von herausragender Bedeutung; hier traf sich 1921 die KPCh zum ersten Mal, hier nahm die Kulturrevolution ihren Lauf, und hier schloss sich auch die “Viererbande” zusammen.
Und nach wie vor hat Shanghai weder an politischen Einfluss im eigenen Lande, noch an seiner Position am Weltmarkt eingebüßt. Die direkt der Zentralregierung unterstellte Stadt, zählt inzwischen mehr als 25,6 Millionen Einwohner (Stand 2019) und wächst schier explosionsartig. Fast täglich schießen neue, immer noch höhere Wolkenkratzer aus dem Erdboden und versuchen sich gegenseitig an Größe und architektonischer Extravaganz zu überbieten – insbesondere im Stadtteil Pudong – auf der rechten Seite des Huangpu -, welcher 1990 zur Sonderwirtschaftszone erklärt wurde. Doch genau das macht auch irgendwie den Charme von Shanghai aus und zeigt einem, dass China alles andere als ein rückschrittliches Land ist und nach vorne schaut bzw. in den Westen schielt.
Detaillierte Infos u.a. zu den Themen Opiumkriege und britische Besatzung, KPCh, Kulturrevolution und Viererbande erhaltet ihr auch in meinem Beitrag >>China – ein Vorwort<<.
16.09.2019 – Shanghai – Yu-Gärten, Der Bund & Pudong
Ankunft
Gespannt schauten wir aus dem Fenster unseres Abteils. Der Himmel war blau, doch vereinzelt gab es ein paar kleine Wölkchen. Noch konnte man nicht eindeutig sagen, wie sich das Wetter denn entwickeln würde. Nach den letzten, regenreichen Tagen wollte ich es noch nicht so ganz glauben, dass irgendwann wieder einmal die Sonne scheinen sollte. Doch wünschte ich mir in dem Moment nichts sehnlicher als das.
Als unser Zug kurz nach 6 Uhr im Shanghaier Hauptbahnhof einfuhr, hatten wir noch keine Vorstellung davon, wie groß dieser tatsächlich ist. Eine gefühlte Ewigkeit waren wir unterwegs, bis wir uns über all die Treppen, Gänge und Hallen endlich ins Freie gekämpft hatten. Doch danach begann erst einmal so richtig der Stress, denn wir wollten gleich noch schnell die Fahrkarten für den Zug nach Suzhou am nächsten Morgen besorgen, da wir nicht wussten, ob wir dazu noch eine andere Gelegenheit bekommen würden. Leider war um diese Zeit noch kein Schalter geöffnet, und um die Tickets am Automaten zu ziehen, fehlte uns schlicht und ergreifend die chinesische Staatsbürgerschaft. Zwar versuchte uns netterweise ein freundlicher Chinese behilflich zu sein und hat sich prompt dazu bereit erklärt, für uns einfach die Fahrkarten zu kaufen; doch dann fiel uns gerade noch rechtzeitig ein, dass wir damit wohl schlecht was anfangen können, wenn sein anstatt unser Name darauf steht.
In Bahnhofsnähe sollte es aber ein Ticketbüro geben, wo wir zumindest unser Glück noch einmal probieren wollten. Doch ihr glaubt gar nicht, was das uns an Nerven gekostet hat, überhaupt dorthin zu kommen. Allein schon, die richtige Unterführung zu finden, die einen auf die andere Straßenseite bringt, war einen riesen Akt; noch dazu, wenn gerade eine Großbaustelle in Gange ist. Da man ohne ein gültiges Ticket grundsätzlich schon mal gar nicht mehr in den Bahnhof hineinkommt, sind wir von außerhalb über irgendeine Rolltreppe wieder in den Untergrund gedüst. Nun standen wir zwar in einer großen Halle, von der unzählige Ausgänge abzweigten, aber wo wir genau hin mussten, erschloss sich uns noch immer nicht. Auch unser Versuch, an einem jener Informationsschaltern Korrespondenz zu betreiben, hatte nur geringfügig Erfolg. Immerhin kamen wir nach langem Hin und Her irgendwann doch wieder ins Freie. – Fragt mich nicht, wie wir es letzten Endes geschafft haben, nach all dem Auf und Ab doch noch vor dem Ticketbüro zu stehen; ich kann das inzwischen selbst nicht mehr nachvollziehen. Doch alles was zählt, war für uns in diesem Moment, dass der Schalter geöffnet hatte, und wir schließlich unsere Fahrkarten in der Hand hielten. Puh, was für ein Auftakt!
Noch einmal mussten wir unter Tage, um nun mit der Metro ins Stadtzentrum weiterzufahren. Unser Hostel lag ganz in der Nähe des Volksplatzes, was sich als idealer Ausgangspunkt für weitere Besichtigungen herausstellte. Leider befand sich die Haltestelle auch an einem der Sammelpunkte, wo gleich mehrere Linien zusammenliefen; entsprechend verzweigt und belebt war das Ganze. Zum Glück hatten wir aber in Beijing schon etwas geprobt, sonst wären wir wohl komplett überfordert gewesen. Trotz allem stellte es noch immer eine kleine Herausforderung dar, erst einmal den richtigen Ausgang zu finden. – Und ich bin ja froh, erst im Nachhinein erfahren zu haben, dass in der Hotelbeschreibung die falsche Nummer (2) stand, so dass wir jedes Mal einen riesigen Umweg gegangen sind. Immerhin kennen wir nun jedes Gebäude am Volksplatz, einschließlich des Shanghai Grand Theaters. Doch als wir hier zum ersten Mal unseren Fuß ins Freie gesetzt haben, waren wir einfach nur am Staunen über die riesigen futuristischen Wolkenkratzer und unendlich erleichtert, dass die Sonne schien.
Das >>Mingtown E-Tour Youth Hostel<< hatte man als “eines der besten Hostels von Shanghai, eingerichtet nach dem Feng-Shui-Prinzipien, mit angenehmen Zimmern und einem ruhigen Innenhof mit Fischteich, …, Holzterrassen im Freien…” usw. beschrieben – laut Lonely Planet. Dafür wollten wir dann auch das Gemeinschaftsbad in Kauf nehmen. Die Punkte, inklusive dem “ruhig”, können wir zumindest für die erste Nacht schon mal unterschreiben; wäre dann nicht eine zweite gefolgt. Doch dazu später! – Etwas schmuddelig waren die Zimmer allerdings schon, und das sagen wir, die aufgrund vergangener Erfahrungen eigentlich nicht so verwöhnt sind. Aber wenn dies das Beste ist, was man in Shanghai für den Preis kriegen kann, dann sollte das eben so sein. Wir waren hierher ja schließlich nicht zum Schlafen gefahren. 😉
Chinesische Altstadt bzw. Altes Basarviertel
Yu Yuan & Basar
Zunächst fuhren wir mit der Metro in den ältesten Teil der Stadt, welcher schon vor 500 Jahren von den Chinesen zu ihrem kommerziellen Zentrum auserkoren wurde. Auch wenn inzwischen schon viel der Abrissbirne zum Opfer fiel, kann man in manch schmaler Gasse noch das ein oder andere historische Holzhaus entdecken. Die Gebäude am Basar wurden jedoch erst sehr viel später nach dem Vorbild der traditionellen Qing-Häuser errichtet und beherbergen hauptsächlich kleine Restaurants oder Souvenirläden.
Zum Glück war es noch verhältnismäßig früh, als wir hier eintrafen, und so konnten wir noch in Ruhe die Ladenstraßen des Basarviertels erkunden, in dessen Herzen sich – inmitten eines kleinen Sees – das Huxinting Teahouse befindet. Dieser reizende, von Stelzen getragene Pavillon wurde im Jahre 1784 von einem betuchten Baumwollhändler erbaut und erst später zu einem Teehaus umgewandelt; das im Übrigen das berühmteste Chinas sein soll. Sogar Bill Clinton und Queen Elizabeth II. haben sich hier schon ihren Tee schmecken lassen.
Während nun ein Gondoliere entspannt durch das türkisfarbene Wasser mit all den Lotusblüten und kleinen Springbrunnen stakte, um dabei den Müll abzufischen, und die wenigen Leute über die Neun-Biegungen-Brücke (Jiuqu Qiao) hinüber zum Teehaus spazierten, begannen wir fast schon zu vergessen, dass wir uns gerade mitten in Chinas größter Stadt befanden. – Falls sich nun jemand darüber wundert, warum hierzulande so viele Brücken im Zickzack verlaufen: das liegt an dem Aberglauben der Chinesen, demnach böse Geister nur geradeaus gehen können. Um diese nun von einem Ort fernzuhalten, baut man halt einfach ein paar Ecken ein. – Wollen wir doch einmal mehr über die kulturellen Unterschiede froh sein, denn so bot sich uns nun ein überaus liebreizender Anblick.
Hingegen zu manch anderen Sachen, die wir zu einem späteren Zeitpunkt noch probiert haben – wie im ranzigen Öl ausgebackene “Crispy Fried Cake with Chinese Chives” oder dem Bubble-Tea mit gallertartigen, strohhalmdicken, seltsam schmeckenden Kügelchen -, waren die frisch zubereiteten gedämpften Baozi eine vortreffliche Wahl. So gestärkt ging es nun hinein in den Yu-Garten.
Der Yu Yuan ist einer der berühmtesten klassischen Gärten Chinas und wurde 1859 von einem hohen Beamten aus der Ming-Dynastie – namens Pan Yunduan – für seine Eltern erbaut, damit diese im Alter einen Ort haben, an denen sie in Ruhe ihren Lebensabend genießen können. – Yu bedeutet so viel wie “Freude bereiten und zufriedenstellen”.
Nach 18 Jahren war der 2 Hektar große Garten endlich fertiggestellt. Doch mit dem Aussterben der Familie Pan verfiel dieser zunehmend, wechselte danach oft seinen Besitzer und wurde während den Opiumkriegen, dem Taiping-Aufstand und dem 2. Chinesisch-Japanischen Krieg mehrmals zerstört. Seit 1961 ist er aber wieder soweit renoviert, dass er der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte.
Fünf Mauern in Drachenform teilen den Garten in sechs Themenbereiche auf, die für die verschiedenen Landschaftsformen Chinas stehen. Besonders hervorzuheben ist dabei der mingzeitliche Steingarten, der eine Nachbildung der Schluchten in Südchina sein soll.
Inzwischen nahm auch so langsam der Besucherandrang zu, und so haben wir wieder einmal versucht, das Ganze umgekehrt aufzurollen. Dass das allerdings nicht immer von Vorteil ist, haben wir sehr schnell gemerkt und sind daraufhin gleich noch einmal zum Eingang zurück, um nun doch mit dem Strom zu schwimmen. Denn damit ein Ort so richtig zur Geltung kommt bzw. seine Wirkung entfalten kann, ist nicht selten auch der Blickwinkel entscheidend.
Generell war es keine schlechte Idee, überhaupt mal wieder etwas zu entschleunigen und die hektisch hereinströmenden westlichen Busreisenden vorbeizulassen. Ganz anders haben wir das allerdings mit den asiatischen Touristen gehandhabt; diese waren mir ein willkommenes Futter, um sie mit in meine Kulissen einfließen zu lassen.
Durch die weiß getünchten Wandelgänge mit ihren kleinen verzierten Fenstern, schlängelten wir uns nun zu den verschiedenen Bereichen des idyllischen Gartens, und kamen dabei zu all den Hallen mit ihren teils extravaganten Einrichtungen, den kleinen Pavillons mit den geschwungenen Dächern, den Zierteichen mit den unzähligen goldenen Karpfen, den bizarren Steingärten und über einige im Zickzack verlaufende Brücken. Irgendwann wusste man allerdings gar nicht mehr, wo man sich nun gerade befindet und was man sich schon angeschaut hatte und was noch nicht. Aufgrund der labyrinthartigen Struktur beschlich einen stets das Gefühl, irgendetwas übersehen zu haben; was vielleicht auch irgendwie beabsichtigt war. – Das mag vielleicht ja einem Chinesen zur Inneren Einkehr verhelfen, jedoch bei mir – stets zur Perfektion Getriebenen – erzeugt so etwas einen gewissen Stressfaktor. Zumindest hat sich irgendwann dann doch alles irgendwie wiederholt, so dass wir das Gelände wieder beruhigt verlassen konnten. Wir hatten heute ja schließlich noch mehr geplant.
Cheng Huang Miao – Tempel des Stadtgottes
Gleich dem Yu Yuan schließt sich im Süden der Tempel des Stadtgottes an, welcher 1403 errichtet wurde. Dem Glauben der Taoisten nach, braucht jede Stadt ihren eigenen Schutzgott, um diese vor Unheil zu bewahren und deren Einwohner zu beschützen. So erhob in jenem Jahr der Ming-Kaiser Hongwu einen lokalen Beamten posthum zum Schutzpatron und widmete ihm einen Tempel. Seinen heutigen Name erhielt dieser jedoch erst 1929.
Auch wenn der Cheng Huang Miao während der Kulturrevolution stark beschädigt wurde und inzwischen keine Mönche mehr darin leben, zieht er nach wie vor sowohl Gläubige Shanghaier als auch viele Reisende an. Auf das zum Touristenspektakel verkommene Anzünden der freizügig verteilten Räucherstäbchen haben wir jedoch liebend gerne verzichtet. – Der Sinn dieses Rituals besteht eigentlich darin, dass der Rauch den Geist klären soll, und sich durch ihn die irdischen Gedanken mit denen der himmlischen Sphäre verbinden können, in der die Ahnen und Götter leben. – Wir haben es unterdessen bevorzugt, uns eher den verschiedenen Hallen der Anlage zuzuwenden, die erstaunlich viele Figuren beherbergen. Was nun jede im Einzelnen zu bedeuten hat, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Was ich jedoch mit Sicherheit sagen kann, ist, dass man in der vorderen Halle die Statue von Huo Guang – einem vergöttlichten Han-General – verehrt und in der hinteren, den Stadtgott höchstpersönlich .
Am Bund & Blick vom Bund
Jetzt waren wir aber wirklich mehr als gespannt, endlich das Wahrzeichen Shanghais in Augenschein zu nehmen. Schon auf dem Weg Richtung Bund am Flussufer, konnte man sich nur schwer dem Anblick der riesigen Wolkenkratzer von Pudong entziehen. Doch als wir schließlich am Huangpu standen, hielten wir erst einmal die Luft an und bestaunten die moderne, fast schon futuristisch anmutende Kulisse. Vor uns lag nun also die Skyline von Lujiazui mit ihren imposanten Hochhäusern des Bankenviertels von Pudong. 4 davon stachen uns sofort ins Auge: der korkenzieherförmige Shanghai Tower, das einem Flaschenöffner ähnliche Shanghai World Financial Center, der pagodenartige Jinmao Tower und natürlich der unverwechselbare Oriental Pearl TV Tower mit seinen 3 rosafarbenen, in der Sonne glitzernden Kuppeln. Ich weiß nicht, ob man diesen Anblick jetzt als schön bezeichnen kann, aber fasziniert waren wir alle Male. – Auf dem Promenadenweg zum Bund, bot sich uns noch oft die Gelegenheit, zum anderen Ufer hinüberschauen, und immer konnten wir dabei einen anderen Blickwinkel auf Pudongs Skyline genießen.
Auch war es sehr interessant, dem Treiben auf dem Huangpu zuzuschauen, über den sich am laufenden Band die voll beladenen Schüttgutfrachter den Fluss nach oben schleppten und dabei fast zu versinken drohten.
So anziehend die Skyscraper von Lujiazui auch auf einen wirken mögen, das eigentliche Wahrzeichen Shanghais ist Der Bund, auf der westlichen Seite des Huangpus. Die Bezeichnung “Bund” stammt aus dem Hindu und wird mit “Damm” übersetzt. Wie oben schon erwähnt, entwickelte sich diese erhöht verlaufende Uferstraße während der Konzessionszeit zum ursprünglichen Finanz- und Handelszentrum Shanghais. Im Zuge dessen entstanden an dieser Stelle eine Reihe klassizistischer Hochhäuser, in denen sich zum einen die Bank- und Bürohäuser, zum anderen internationale Nobelhotels einquartiert haben. Über einen Kilometer zieht sich der Hauptteil der Promenade, über die man entspannt flanieren und dabei die ehemaligen Kolonialbauten bewundern kann. Inzwischen sind allerdings viele der einstigen Banken noblen Boutiquen oder Clubs gewichen.
Eines der auffälligsten und auch wichtigsten Bauwerke am Bund ist das Zollhaus, welches einen sofort an den Big Ben in London erinnern vermag. Sein Turm ziert das größte Zifferblatt von Ostasien und enthält eine große Glocke, namens “Big Ching”.
Gleich links davon steht das Gebäude der Pudong Development Bank mit seiner massiven Kuppel. Hier siedelte sich 1864 zuerst das Hongkonger Bankinstitut an und ein Jahr später die Shanghaier Börse. Mit seiner herrlichen Mosaikdecke im Eingangsbereich, auf welcher die 12 Tierkreiszeichen abgebildet sind, wurde das Haus damals als schönster Bau Asiens gerühmt.
Eher im nostalgischen Sowjetstil kommt die Bank of China her, welche eigentlich das höchste Bauwerk am Bund sein sollte. Doch leider wird es von dem benachbarten Fairmont Peace Hotel um einen ganzen Meter überragt. Dieses Art-Déco-Gebäude ließ im Jahre 1930 der Millionär Sir Victor Sassoon erbauen und zählte u.a. auch schon Charlie Chaplin zu seinen prominenten Gästen.
Pudong
Nun wollten wir uns Pudong aber auch einmal vor Ort anschauen und außerdem die Gesamtkulisse des Bunds bewundern. Dazu haben wir uns 2 Tickets für die Fähre gekauft und sind über den Huangpu auf die andere Seite gewechselt.
Kaum angekommen, konnte ich es nur noch schwer erwarten, endlich den 632 Meter hohen Shanghai Tower – Chinas höchstes Gebäude – aus nächster Nähe zu sehen. So bin gleich direkt durchgestartet, und habe nicht etwa wertvolle Zeit an irgendwelchen roten Ampeln vergeuden wollen. Zu meiner Verwunderung taten das hingegen jedoch all die anderen Passanten, einschließlich meinem Flo. Nach kurzem Zögern folgte er mir dann schließlich doch noch und erklärte mir so ganz nebenbei, dass das eventuell für mein digitales Punktekonto schlecht sein und mir zum Nachteil gereichen könnte, wenn ich zukünftig eine erneute Einreise in die Volksrepublik planen würde. Mist, soweit hatte ich noch gar nicht gedacht. Bisher war ich es von anderen asiatischen Ländern immer gewohnt, sämtliche (hierzulande geläufige) Verkehrsregeln außer Acht zu lassen und bloß nie stehenzubleiben. Die Folgen des Social-Credit-Verlustes wollte ich mir nicht ausmalen, und so blieb ich an den nächsten Ampeln lieber ganz strebermäßig stehen, bis diese auf Grün geschaltet hatten.
So, jetzt aber stand endlich der riesige Korkenzieher vor uns – oder eher wir vor ihm -, und ich habe krampfhaft überlegt, wie ich diesen denn in seiner Gesamtheit aufs Foto bekommen soll. Wenn ich schon beim Sichern meines Kletterpartners über Nackensteife klage, dann ist das nix dagegen, wie man sich erst verrenken musste, um am 121stöckigen Shanghai Tower nach oben zu schauen. Krass, wie klein man sich plötzlich neben so einem gigantischen Gebäude vorkommt.
Beeindruckend ist allerdings auch die Konstruktion des Turms an für sich, der sich auf seinem Weg nach oben um 120 Grad verdreht, womit die Windbelastung um 24 % verringern werden soll. Ebenso, dass unvorstellbare 61000 m³ Beton erforderlich waren, nur um das massive Fundament zu erschaffen, auf dem dieses monströse Bauwerk auf dem sumpfigen Untergrund stabil stehen kann.
Derzeit ist der Shanghai Tower das zweithöchste Gebäude der Welt. Auf Platz 1 rangiert es mit dem höchsten Restaurant (120. Etage), der höchsten Panoramaplattform (118. Etage), der höchsten Hotelrezeption (101. Etage), dem höchsten Schwimmbad (84. Etage) und dem schnellsten Fahrstuhl, der mit 64,8 km/h in 55 Sekunden in den 119. Stock rast.
Doch auch das Shanghai World Financial Center, mit seinen immerhin 492 Metern und die Art-déco-Pagode des 421 m hohen Jinmao Tower stehen ihrem Nachbarn in Sachen Design und spektakuläre Aussichtsplattformen in nicht viel nach. Vom 87. Stock des “Flaschenöffners” haben wir an einem anderen Tag sogar selbst einmal auf Shanghai hinabschauen können. Doch mehr dazu dann in meinem nächsten Blog!
Entlang der Riverside-Promenade war es uns nun auch möglich, einmal einen Blick hinüber zum Bund zu werfen. Leider lagen die prächtigen Kolonialbauten am späten Nachmittag schon im Schatten, aber wir hatten ja eh schon beschlossen, noch einmal am Morgen hierher zu kommen.
Schließlich erreichten wir nun auch noch das wohl markanteste Hochhaus von Pudong; den 468 Meter hohen Oriental Pearl Tower. Dieser seltsam anmutende dreibeinige Fernsehturm war lange Zeit im Gespräch, trifft er doch mit seinem futuristischen Design nicht unbedingt jedermanns Geschmack. Was man auch immer davon halten mag, er brennt sich einen zumindest ins Gewissen ein und prägt Shanghais Stadtbild nicht minder als der Himmelstempel Beijing.
Nanjing East Road
Mit der Metro ging es nun wieder zurück ans Westufer oder um genauer zu sein, direkt zur Nanjing East Road. Diese 2 km lange Straße ist Shanghais berühmteste Shopping Mall und verbindet quasi den Bund mit dem Volksplatz. Hier stehen die ältesten Kaufhäuser der Stadt direkt neben ultramodernen Boutiquen. Hier trifft sich das “Who’s who” der Szene neben der konsumsüchtigen Jugend; entsprechend lebhaft geht es auf dieser Meile zu.
Wir, die allerdings nicht so die Shopping-Freaks sind, haben uns zumindest einmal diese Straße angeschaut und uns zugleich noch etwas zum Essen gesucht, bevor wir nun das letzte Highlight des Tages angehen wollten.
Shanghai bei Nacht
… ist ein unvergessliches Erlebnis. Doch um die bunt erleuchtete Skyline von Pudong bei Nacht zu erleben, hatte ich extra ein paar Erkundungen eingeholt, von wo aus man denn die Aussicht am besten genießen könnte, ohne dafür die sonst so üblichen, horrenden Eintritte der Panoramaplattformen zu zahlen. Bei meinen Recherchen stieß ich schließlich auf die >>Bar Rouge<<, welche sich im 4. Stock der ehemaligen Charter Bank am Bund befindet. Wenn man diese noch vor 21 Uhr aufsucht und logischerweise auch etwas zum Trinken bestellt, dann ist dort der Eintritt frei. Das kam für uns ganz gut in Frage, da wir ja eh nicht ewig bleiben wollten.
Als wir durch die vornehme, helle, mit Kronleuchtern geschmückte Lobby im Untergeschoß zu dem Fahrstuhl gingen, kamen wir uns hier dennoch etwas deplatziert vor; da wir ja noch immer unsere legere Alltagskleidung trugen. Dieses Gefühl hat sich erst recht nicht gelegt, als wir die edlen Räumlichkeiten der Bar betreten haben. Flo wollte gleich wieder umkehren, ich hielt ihn aber dazu an, dass wir es wenigstens versuchen sollten, ob man uns überhaupt so hineinlassen würde. – Der Zugang wurde uns zwar nicht verwehrt, etwas seltsam hat man uns allerdings schon angeschaut. So richtig wohl haben wir uns in diesem Moment jedenfalls nicht in unserer Haut gefühlt.
Unser Unbehagen wich aber schon bald einer freudigen Erregung, als wir auf die zur Bar gehörigen Terrasse im Freien traten und sogar noch einen chilligen Platz in allererster Reihe gefunden haben. Zur Feier des Tages leisteten wir uns 2 leckere Cocktails und warteten dann nur noch darauf, dass es dunkel wird und Shanghai endlich im Lichtermeer versinkt.
Keine 10 Minuten hat es gedauert, dann begannen auch schon aus sämtlichen Richtungen die Wolkenkratzer in den schillerndsten Farben zu blinken. Leuchtreklamen rannen an den Wänden der Gebäude auf und ab und wechselten dabei ständig ihre Motive; LED-Lichter rasten um die Fassaden und Dächer des “Flaschenöffners” und des “Korkenziehers” – nur der Fernsehturm wollte heute noch nicht so recht mitspielen.
Irgendwann wurden wir des Wartens überdrüssig und langsam auch etwas müde, und so haben wir uns wieder auf den Weg nach unten begeben. Kaum hatten wir die Bar verlassen, präsentierte sich nun schließlich auch noch der Oriental Pearl Tower in seiner ganzen Pracht. – Naja, knapp daneben! Das hätten wir mal echt früher wissen sollen, dass dieser erst um 19 Uhr mit seiner Installation beginnt. Tja, wer zu früh kommt, den bestraft mitunter das Leben auch mal…
Ich habe es mir natürlich nicht nehmen lassen, noch ein letztes Mal ans Ufer vorzugehen, um dem Spektakel wenigstens kurz beizuwohnen. Doch die Promenade am Bund war mittlerweile so gnadenlos überlaufen, dass wir diese doch gleich wieder fluchtartig verließen, um schließlich den Heimweg anzutreten. Was wir auf dem Weg zur Metro erlebt haben, das kann sich gar keiner vorstellen. Tausende von Menschen strömten nun über die Nanjing East Road zur nächtlichen Kulisse am Huangpu. Damit das alles halbwegs koordiniert ablief, regelten Polizisten mit Trillerpfeifen den Fußgängerverkehr. Wir kamen uns vor, als wären wir mitten in eine Parade oder gar eine friedliche Demonstration geraten und hatten dabei unsere liebe Müh und Not, vorwärts zu kommen, da wir ja auch noch in die entgegengesetzte Richtung wollten. In diesem Moment waren wir dann doch wieder einmal froh, so früh dran zu sein und noch mehr, als wir endlich in unserem Bett lagen.
Fortsetzung zu Shanghai
Die nächsten 2 Tage schauten wir uns die reizenden Wasserstädtchen Suzhou und Tongli außerhalb von Shanghai an. Doch da wir im Anschluss noch einen weiteren Tag in dieser beeindruckenden Stadt verbracht haben, bevor es letzten Endes von dort aus wieder zurück nach Hause ging, gibt es dazu jetzt auch die Fortsetzung, zu der ihr >>hier<< nun direkt weiterklicken könnt, wenn ihr die beiden Berichte zusammenhängend lesen wollt. Ich wünsche wie immer viel Spaß.
[…] auf die ich allesamt schon in meinem ersten Bericht etwas näher eingegangen bin und ihr gerne >>hier<< noch einmal nachlesen könnt. Doch auch all die anderen grün-, blau- oder goldschimmernden […]