Wenn auch 2 weitere Touren ganz dicht auf den Fersen sind, steht diese hier ganz oben auf dem Siegerpodest, sowohl von der Vielzahl der verschiedenen Eindrücke als auch, was man an Höhenmetern in einen Tag hinein packen kann. Immerhin waren wir über 12 Stunden unterwegs und haben 2400 hm bewältigt.
12.08.2018 / Eng-Brudertunnel-Lamsenspitze-Hahnkampl-Sonnjoch
Schon 5 Uhr sind wir von der Eng aus gestartet, schließlich hatten wir heute viel vor und wollten möglichst auch am Brudertunnel-Klettersteig sein, bevor die ersten von der Binsalm oder der Lamsenjochhütte aufbrechen. Im Gegensatz zu denen befanden wir uns ja 2 1/2 Stunden im Rückstand.
Es war herrlich, als die Sonne so langsam über dem Karwendel aufging und die Berge erst in rotes, dann in goldenes Licht tauchte. So etwas kann man nur erleben, wenn man auf der Hütte schläft oder eben wie wir sehr sehr früh dran ist.
Am Westlichen Lamsenjoch gab es erst einmal zum Frühstück Lamsenspitze, Hochnissl, Rauen Knöll und Sonnjoch, dann sind wir ohne an der Lamsenjochhütte zu stoppen direkt weiter. Die ersten Übernachtungsgäste waren tatsächlich schon aus den Federn gekrochen, also mussten wir schnell einen Gang höher schalten.
Im unteren Teil des Lamsenkars ging es nun über loses Geröll zum Einstieg vom Klettersteig. Nach meinen Erfahrungen, neulich an der Häntschelstiege, war ich nun richtig geil darauf und konnte es kaum abwarten, bis endlich unsere Sets angelegt waren. Die Topo hatte ich mir im Vorfeld schon angeschaut und wusste somit, dass es 2 Platten mit B/C geben soll, und die Schlüsselstelle mit C am Ausgang des Tunnels liegt. Ein wenig nervös war ich schon. Aber es ging super, und ich wäre Flo fast davon geklettert, wenn ich nicht immer wieder mal ein Foto hätte machen müssen.
An einer Stelle war ich dennoch etwas verunsichert, da meine Beine zu kurz waren, um von einem Bügel bis zum nächsten zu reichen, und sich meine Erfahrungen in Sachen “auf Reibung gehen” quasi auf 0 beliefen. Aber ich habe die Hürde gemeistert, und inzwischen würde ich mir über so etwas gar keinen Kopf mehr zerbrechen.
Die Schlüsselstelle hingegen war überhaupt kein Thema für mich. Total happy kamen wir oben an, und ich hätte direkt gleich noch weitermachen können.
Stattdessen sind wir mit voller Montur weiter Richtung Lamsenscharte gezogen, zu der nun auch ein paar weitere Wanderer über den Normalweg aufgestiegen sind. Zum Glück konnten wir diese weitestgehend abhängen.
Übers Kar kamen wir ordentlich ins Schwitzen, denn die Steine hatten sich schon um diese Zeit brutal in der Sonne aufgeheizt.
Dafür wehte uns der kalte Wind auf dem Gipfel um die Ohren; doch auf 2508 hm kann man schon mal mit einer kühlen Brise rechnen.
Dass der Ausblick von hier oben fantastisch ist, braucht man eigentlich fast nicht zu erwähnen – direkt hinter uns der Hochglück, östlich der Hochnissl und im Norden das Sonnjoch. Ich musste einfach Flo dazu bringen, dass wir diesen zweiten Gipfel heute auch noch besteigen. Wann sollten wir das denn sonst alles machen?!
Am weniger anspruchsvollen Gipfel-Klettersteig ging es auf gleichem Wege zurück. Ich weiß nicht, was sich in der letzten halben Stunde geändert hatte, aber inzwischen kamen uns Scharen von Leuten entgegen, vorzugsweise ohne Helm. Gut, dass die Felsen hier so brüchig sind…
Im Anschluss haben wir den Abstieg an der Lamsenscharte übers Kar gewählt.
Zu gerne hätte ich es mal mit dem Abfahren der Reißen probiert, doch wir wollten es ja nicht gleich beim ersten Mal übertreiben. Also sind wir ganz normal in Serpentinen bis zur Hütte hinunter gegangen.
Dort gab es dann erst einmal ein Süppchen und ein Bier, denn sonst wäre uns bei der langen Tour tatsächlich der Proviant irgendwann einmal ausgegangen.
Noch nicht zu 100 Prozent überzeugt, hat sich Flo von mir animieren lassen, doch noch aufs Sonnjoch zu gehen. Aber ich hab ihm seine anfängliche Verschwiegenheit wohlwollend durchgehen lassen – Hauptsache, ich bekomme, was ich will. Allerdings hieß das auch, dass wir noch weitere 1000 hm vor uns hatten.
So ging es am Westlichen Lamsjoch erst einmal zum Hahnkampl hinauf. Von dort hatten wir eine gigantische Sicht auf das Sonnjoch, den Rauen Knöll und auch zurück auf die Lamsenspitze.
Und wenn man denkt, man hat wieder ein paar Höhenmeter geschafft, geht es dann gleich wieder bergab – in unseren Fall bis zum Gramaisattel.
Ich weiß noch ganz genau, wie ich dachte, dass wir das Bergchen nun auf der linken Pobacke abreiten würden, nachdem, was wir schon gemacht hatten. Haha!!! Vor allem, nachdem was wir schon in den Knochen hatten. Der Aufstieg zum Sonnjoch hat uns noch einmal gewaltig gefordert. Anfangs über Latschen, wurde der Karwendelschrott nach oben immer mehr. Ich wollte mir überhaupt gar keine Gedanken darüber machen, wie ich auf dem losen Geröll jemals wieder heil herunter kommen soll. Noch zudem brannte die Sonne uns erbarmungslos in den Nacken. Wenn ich jemals bei einer Bergtour konditionell fast an meine Grenzen gestoßen bin, dann war das heute.
Irgendwann habe ich nur noch funktioniert und auf meine Gipfelmilch spekuliert.
Waren wir froh, als wir endlich oben ankamen. Einmal raus aus den Schuhen, hinsetzen und was trinken.
Ich hätte nie geglaubt, dass diese kurze Pause meine Lebensgeister noch einmal so weit reaktiviert, dass ich tatsächlich ganz annehmlich die Schotterpiste hinunter gehe – und das auch noch ohne Stöcke. Aber bei dem traumhaften Panorama war alles schnell wieder vergessen.
Ab dem Gramaijoch wurde es deutlich entspannter, und so sind wir am späten Nachmittag wieder in die Eng abgestiegen.
Egal was es uns heute an Kraft gekostet hatte, waren wir so glücklich über diese geniale Tour, dass wir noch lange davon zehren werden.